Die Frauen
Weihnachten dekoriert - Kränze, Zweige, Trockenblumen, das Geglitzer von Silberkugeln, Kunstwerke allenthalben und Stimmung, frohe, festliche Stimmung.* Und dann bezog sie eines der Gästezimmer und kleidete sich fürs Abendessen um, während er, ganz zappelig, vor ihrer Tür wartete und redete, endlos redete, ein Thema ging ins andere über: dass ihre Fahrt durch den Schnee ihn an seine winterlichen Reisen von Fiesole nach Berlin und zurück erinnert habe, in jener Zeit, als er noch sein Portfolio zusammengestellt habe, wie die Sonne in Italien auf die Mauern der Villen geschienen habe und dass ihn das bernsteingelbe Mauerwerk von Taliesin daran erinnere, und wie es denn eigentlich ihrer Tochter gehe? Ob diese ein paar Tage ohne ihre Mutter zurechtkommen werde? Als Olgivanna schließlich aus der Tür trat, reichte er ihr ein Glas heißen Cider und geleitete sie durch das Zimmergewirr, um ihr all die schönen Dinge zu zeigen, die er gesammelt hatte - japanische Drucke von Hiroshige, Hokusai und Sadahide; Ming-Vasen, Marmorköpfe aus der Tang-Dynastie, Stickereien aus der GenrokuÄra, Momoyama Wandschirme -, wobei er sich zugleich über die Reinlichkeit der japanischen Kultur und die schlichte, organische Eleganz der Architektur dieses Landes ausließ. »Und ihre Sexpraktiken«, sagte er, nun vor dem Kaminfeuer in dem großen, niedrigen Raum stehend, der Ausblicke auf Hügel und Tal eröffnete, »ausgesprochen sauber, ausgesprochen zivilisiert. Und offen.«
* Wrieto-San liebte Feiertage - den Memorial Day, den Unabhängigkeitstag, Halloween, Thanksgiving, Weihnachten -, und wenn kein Feiertag in Sicht war, dann erfand oder übernahm er einfach einen, das Fundament des Juni, die Mittsommernacht, die Säulen des März, je stärker die heidnische Anmutung, desto besser. Und er war ein leidenschaftlicher Arrangeur, befasste sich immer wieder aufs neue mit der Anordnung seiner Möbel und Kunstgegenstände und widmete sich der jeweiligen festlichen Dekoration mit der ganzen Inbrunst seiner unerschöpflichen Energie (einer Energie, die sich leider oft in einer geradezu übermenschlichen Redseligkeit manifestierte, was es schwierig machte, mehr als ein oder zwei Stunden am Stück in seiner Gegenwart zu verbringen).
Sie hätte am liebsten den Kopf in den Nacken gelegt, ihm in die Augen geschaut und ihn gefragt, wie er dieses Wissen eigentlich erworben habe - knisternde Spannung lag in der Luft, und sie würden in dieser Nacht zum erstenmal zusammensein, das war die unausgesprochene Verheißung, wegen der sie die lange Zugfahrt hierher unternommen hatte -, da kamen die Tsuchiuras herein. Sie hatte bei ihrer Ankunft nur ein paar Worte mit ihnen wechseln können, ein Austausch der üblichen Höflichkeiten - Kameki war ein Architekt, der, wenn sie es recht verstanden hatte, sowohl in Japan als auch in Los Angeles mit Frank zusammengearbeitet hatte -, doch jetzt standen sie, fürs Abendessen gekleidet, da und verbeugten sich.
»Habe ich nicht recht, Tsuchiura-San?« fragte Frank, dessen Gesicht einen listigen Ausdruck angenommen hatte.
Eine weitere Verbeugung. Ein Knall wie von einem Gewehrschuss ertönte, ein Astknorren an einem der Holzscheite im Feuer. »Tut mir leid, Wrieto-San, aber ich habe den Anfang nicht gehört. Wir sind ja eben erst gekommen.«
»Ich habe Olgivanna gerade von der sexuellen Offenheit in Ihrem Land erzählt, von der sauberen, gesunden Einstellung, die Frauen wie Männer dort zum Geschlechtlichen haben ... «
Die Tsuchiuras - sie waren jung, in Olgivannas Alter, wie ihr schlagartig bewusst wurde - brachen beide in Gelächter aus.
Zum erstenmal seit sie ihn kannte, schien Frank verlegen zu sein, doch er fing sich schnell wieder. »Im Vergleich zu den Moralpredigern und Puritanern hier bei uns, meine ich, den zaghaften, ängstlichen Kleingeistern, die für alle anderen die Regeln bestimmen wollen -«
»So wie bei der Prohibition, meinen Sie«, warf Olgivanna ein, und sie schwebte innerlich, emporgetragen von den berauschenden Aufwinden dieses Orts, der Gesellschaft, der Unterhaltung.
»Nun«, sagte Frank und beugte sich vor, um das Feuer zu schüren, »Sie wissen ja, dass ich nichts vom Trinken halte - ich habe zu viele gute Männer daran zugrunde gehen sehen, Zimmerer, aber auch Zeichner-«
Wieder lachten die Tsuchiuras - und sie, taumelig, stimmte ein. »Wie Sand am Meer, Wrieto San«, sagte Kameki, der vor lauter Lachen kaum mehr Luft bekam, »all die betrunkenen Zeichner. Aber nicht
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