Die Frauen
hinauszugehen und das schöne Wetter zu genießen - sie musste ein paar Lebensmittel einkaufen, und das war Anlass genug. Sie ließ Llewellyn das Hemd wechseln und kämmte ihm das Haar, dann setzte sie ihren Strohhut auf, nahm Tasche und Sonnenschirm und ging die Forest Street hinunter, vorbei an all den prächtigen Häusern, die Frank entworfen und an denen er so lange gearbeitet hatte, bis es gewesen war, als wäre dies sein eigenes, privates Erschließungsgebiet. Dann bog sie in die Lake Street ein, wo die Geschäfte waren.
Der Lebensmittelhändler war nicht unfreundlich, aber während er ihre Einkäufe zusammenrechnete, wies er sie auf die offene Rechnung in Höhe von etwa 900 Dollar* hin, und sie versicherte ihm, Frank werde noch am selben Abend kommen und sie bezahlen, doch der Zwischenfall gab ihr das Gefühl, billig zu sein, eine Diebin, eine Frau, die sich ihrer Verantwortung entzog. Sie versuchte, es zu verdrängen und den Sonnenschein und die anhaltende Wärme des Tages zu genießen - es war etwa dreißig Grad, und vom See wehte eine ganz leichte Brise, geradezu perfekt -, und so sah sie sich ein paar Kleider an, kaufte Llewellyn ein Eis und machte sich dann auf den Rückweg. Sie war gerade in die Kenilworth Street abgebogen, weil sie auf einem anderen Weg zum Haus zurückkehren wollte, und sei es nur, um mal wieder einen anderen Blick zu gewinnen, als das Mädchen der Cheneys, an jeder Hand ein Kind, ihr auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig entgegenkam.
* Eine erstaunliche Summe, die unter Einbeziehung der Inflationsrate im Jahr 1979 etwa 6500 Dollar entsprochen hätte. O 'Flaherty-San und ich konnten die Zahl durch Einsicht in Gerichtsunterlagen verifizieren, denn Wrieto-San wurde ständig auf Begleichung seiner Schulden verklagt. Einmal sagte er zu mir, wenn man sich als erstes Luxusgüter leiste, regele sich das Lebensnotwendige von allein - angesichts seines Kommentars über meinen Bearcat fand ich diese Bemerkung reichlich snobistisch.
»Sieh mal«, sagte sie und beugte sich zu Llewellyn, dessen klebrige kleine Hand sie hielt, »da sind John und Martha. Sollen wir sie begrüßen?« Sie winkte, und das Kindermädchen überquerte pflichtschuldig die Straße. John hüpfte voraus, während Martha - sie war etwa drei - die Hand des Mädchens nicht losließ. Llewellyn machte sich von Kitty los, und die beiden Jungen schossen sofort hinter irgendeinen Baum und spielten ein spontan erfundenes kleines Spiel. Da war das Kindermädchen. Und Martha. »Guten Tag«, sagte Kitty.
»Guten Tag, Ma’am.«: Sie stammte aus einer irischen Familie, war zierlich, hielt sich leicht gebeugt und hatte schwarzes Haar, das ihr Gesicht bleich wirken ließ, und unverwandt blickende Augen. Es war einige Zeit her, seit Kitty sie zuletzt gesehen hatte, und sie konnte sich nicht an ihren Namen erinnern.
»Du liebe Zeit, sind die aber gewachsen«, hörte sie sich sagen, ganz die konventionelle Hausfrau, immer eine Platitüde zur Hand. Und nun? Was sollte sie nun noch sagen?
»Ja, Ma’am«, antwortete das Mädchen. »Alle beide. Es ist schon eine Freude, nicht?«
Sie wollte gerade sagen, es sei in der Tat eine Freude, als sie den Fehler machte, in die Hocke zu gehen, um der kleinen Martha ins Gesicht zu sehen und ihr in süßlichem Ton zu versichern, dass sie eine regelrechte junge Dame sei. Es war ein Fehler, denn als sie das Kind genauer betrachtete - den Teint, die Form der Nase und der Ohren, besonders der Ohren -, sah sie mit einemmal Frank und zuckte innerlich zusammen.
Doch das konnte nicht sein. In dem Mädchen steckte zuviel von Edwin, oder etwa nicht? Das waren genau seine Augen. Oder waren es Mamahs? Ihre ganze Haltung, die feinen hübschen Gesichtszüge, der schwelgerische Blick, das alles erinnerte, selbst jetzt, da sie wie ein Zubehör an der Hand des Kindermädchens hing, an Mamah. Aber nicht an Frank. Nicht an Frank. Das konnte auch gar nicht sein - oder doch? Er hatte das Haus der Cheneys 1904 gebaut, war täglich von morgens bis abends mit seinen Zimmerleuten und Arbeitern und Plänen auf der Baustelle gewesen, und Martha war erst zwei Jahre später geboren worden. Als würde das irgend etwas beweisen. Sie erinnerte sich an Mamahs Schwangerschaft, an ihren dicken Bauch und daran, dass sie sich ununterbrochen beklagt hatte, als wäre sie eine Märtyrerin, die erste Frau auf der Welt, die Blähungen und morgendliche Übelkeit zu erdulden hatte. Sie machte sich nichts aus Kindern, das war es -
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