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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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in den April hinein fiel und alles in Schlamm verwandelte. Doch dann drehte der Wind auf Nord, wieder fiel Schnee, und jeder Anflug von Frühling war im Keim erstickt.Fast glaubte er, eine neue Eiszeit sei angebrochen, um ihn heimzusuchen - er machte mit Bill Little, dem Zimmermann, mit dem er nach Spring Green gefahren war, um die verschneiten Felder zu betrachten, sogar Witze darüber -, doch schließlich wurden die Tage länger, die Zugvögel kehrten zurück, die Bäume trieben Knospen, und die Krokusse bohrten sich durch die Schneereste. Er gab bekannt, dass er Arbeiter für den Bau eines kleinen, bescheidenen Hauses suchte - es war für seine Mutter bestimmt, ausschließlich für seine Mutter, denn wenn irgend etwas durchsickerte, würde die Presse Lunte riechen und über ihn herfallen, und Gott allein wusste, ob die Leute aus dem Dorf sich nicht ebenfalls gegen ihn erheben würden -, und stellte schließlich Johnnie Vaughn, einen Iren, als Vorarbeiter der Zimmerleute ein. Johnnie konnte stundenlang reden, Tabak kauen und hämmern und schien dabei nicht mal Luft zu holen. Einer, der viel redete, war selten ein guter Arbeiter*, doch Johnnie bildete die Ausnahme: Er war ein hervorragender Organisator, der unablässig arbeitete und jeden Handwerker und Hilfsarbeiter im Umkreis von dreißig Kilometern kannte. Er brachte Ben Davis mit, den kreativsten Erfinder von Flüchen, den die Welt je gesehen hatte. Er sollte die Steinmetzarbeiten und den Transport vom Steinbruch zur Baustelle überwachen, und er war es auch, der die beiden besten Steinmetzen des Bezirks empfahl: Dad Signola, den Tschechen, und Father Larsen, den Norweger. Niemand wusste, wer von beiden älter war. Ihre Finger waren flach und breit, sie gingen gebeugt, und beider Haar war schneeweiß wie das eines Patriarchen. Dad und Father. Wenn sie auch sonst nichts kannten, so kannten sie sich doch mit Steinen aus, ihr Blick war scharf und ihr Urteil immer richtig, und Frank war froh, sie zu haben. Es waren gute Männer, allesamt, und mit jedem Tag verwandelte sich die Kameradschaft, die durch das gemeinsame Ziel entstand, ein Stück mehr in die Freude an der Arbeit und der Aufgabe, die vor ihnen lag.
     
    * Mitte der dreißiger Jahre hatten wir unter den Schülern einen Mann namens Ken Milligan. Er hatte eben erst das College abgeschlossen und redete unablässig, was die anderen ablenkte, so dass Wrieto-San darauf bestand, dass er allein arbeitete. Eines Morgens erschien Wrieto-San auf der Baustelle und brachte einen Stukkateur mit, der taub war. Er wies Ken an, zusammen mit dem Neuen zu arbeiten. Drei Tage später fragte Ken beim Abendessen in die Runde: »Ich glaube, der Neue versteht kein Wort von dem, was ich sage. Was ist der eigentlich - ein Pole oder was?«
     
    Es war Juni, das Fundament war gelegt, und über ihm erhoben sich die Kamine und die Mauern der vier Innenhöfe, so dass das Skelett des Hauses sichtbar war: Stein, nichts als Stein - druidisch, vorsintflutlich, organisch im eigentlichen und besten Sinne, und er arbeitete zusammen mit den anderen Männern, er sang den Leib, den elektrischen, er war so erfüllt von Freude wie noch nie zuvor. Dies war es, wofür er geboren war. Dies war es, das einen Sinn ergab. Nur dies.
    Eines frühen Morgens gab er dem Mann vom Sägewerk Anweisungen, wohin er das Holz bringen sollte. Der Wagen war überladen, die Pferde rutschten immer wieder auf der steilen, matschigen Zufahrt aus, und er wusste beim besten Willen nicht, warum man nicht einen halbwegs kompetenten Mann ausgewählt hatte, um auf dem Kutschbock zu sitzen, die Zügel zu halten und zuzusehen, wie die mächtigen, verschwitzten, mit Fliegen gesprenkelten Pferde die Arbeit für ihn taten, als jemand ihm auf die Schulter tippte. Er drehte sich um, und da stand der breit grinsende Johnnie Vaughn. Der Mann neben ihm war etwa dreißig und hochgewachsen, mit breiten Schultern und einem flachen Hut, dessen Krempe er bis zu seiner Brille in die Stirn gezogen hatte. Er trug den einen Arm in einer Schlinge, aus der ein Gipsverband ragte wie ein Ladestock. »Mr. Wright«, sagte Johnnie, »Boss, ich möchte Ihnen den neuen Mann vorstellen, den besten Zimmermann von ganz Wisconsin - er ist noch besser als ich, besser als jeder andere. Warten Sie nur, bis Sie ihn arbeiten sehen. Stimmt’s? Stimmt’s, Billy?«Man musste auf seine Instinkte vertrauen - das sagte er sich selbst, und er predigte es auch anderen. Im Lauf der Jahre hatte er zahllose Männer

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