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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Verfasser dem gewissenhaften und neutralen Leser mit der ganzen Autorität eines blinden Sehers, dass Mamahs »Seelenverwandter« ihrer überdrüssig geworden sei, das Vertrauen seiner Frau in ihn gerechtfertigt habe und in den Schoß seiner Familie zurückgekehrt sei.
    Zum Abendessen ging er zu seiner Schwester in Tan-y-deri. Er erwähnte den Artikel ebensowenig wie sie. Das Essen war außergewöhnlich lecker, und er fühlte sich wohl bei Jennie und ihrem Mann Andrew. Die Unterhaltung bewegte sich sprunghaft und sehr angenehm von einem Thema zum anderen, genau wie er es liebte: schlagfertige Antworten, These und Antithese, unbeschwertes Lächeln und entschlossen vertretene Ansichten, und Taliesin auf dem gegenüberliegenden Hügel war ein herrlicher Anblick. Doch was in der Zeitung stand, war Unsinn, und der Gedanke daran brannte in ihm wie ein Anfall von Sodbrennen. Am liebsten hätte er die Männer verprügelt, die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, anderer Leute schmutzige Wäsche zu durchwühlen, die sogenannten Journalisten, denn sie waren nichts weiter als Zuhälter. Kretins. Sie wussten gar nichts, sie würden nie etwas wissen.
    Das Schmerzliche dabei war der Gedanke daran, was es Mamah und ihrem Ruf zufügte - oder vielmehr dem, was davon noch übrig war. Schlimm genug, dass man sie wegen ihrer Scheidung durch den Schmutz zog - aber dass man es so darstellte, als wäre sie für ihn nichts weiter als ein flüchtiges Vergnügen gewesen, war einfach nur grausam.
    Und unwahr, durch und durch erlogen. Als er auf der Veranda von Jennies Haus saß und über die in Schatten getauchten Hügel blickte, spielte er für einen Augenblick mit dem Gedanken, einen Anwalt, einen richtigen Eisenfresser, zu beauftragen, diese Kerle wegen Diffamierung zu verklagen. Sie sollten vor ihm im Staub kriechen. Sie sollten sich winden, sie sollten leiden und die Hände ringen. Sie sollten eine Gegendarstellung drucken und zur Abwechslung mal die Wahrheit schreiben. Mamah beteuerte natürlich, dass es ihr nichts bedeutete; sie - und er - ständen so weit über diesen Klatschmäulern, dass es war, als existierten sie gar nicht, doch er hörte den Schmerz und die Unsicherheit in ihrer Stimme, als sie auf einer Direktleitung nach Chicago miteinander telefonierten. (Und wenn diese großmächtigen Herren Journalisten so allwissend waren, warum wussten sie dann nicht, dass sie dort war, kaum dreihundert Kilometer von ihm entfernt? Sie war diskret. Sie lebte zurückgezogen. Sie wartete.)
    Drei Wochen später verließ er Taliesin in seinem Roadster und fuhr allein nach Chicago.
    Er verhielt sich so unauffällig, wie es - angesichts der Farbe des Wagens und der Tatsache, dass die Reifen bei jeder Kurve erschrocken zu kreischen schienen - möglich war. Er hatte auch versucht, sich unauffällig zu kleiden: Den Umhang und die Reithose hatte er zu Hause gelassen und sich statt dessen für die Art von schmalkrempigem Hut und straff gebundener Krawatte entschieden, die seiner Meinung nach ein amerikanischer Durchschnittsmann anziehen würde, wenn er sich ein Baseballspiel oder ein Feuerwerk ansehen wollte, und dennoch blickte er sich jedesmal schuldbewusst um, wenn er anhalten musste, um einen Fußgänger über die Straße zu lassen, und zweimal fuhr er, aus Angst, es könnte ihm jemand gefolgt sein, ein Stück zurück. Nach einer Reihe solcher Täuschungsmanöver stand er schließlich vor einer namenlosen kleinen Pension, wo man ihn, dessen war er sicher, nicht erkennen würde - ebensowenig wie die ehemalige Mrs. Cheney, die hier unter ihrem Mädchennamen abgestiegen war.
    Die Straße war beinahe menschenleer. Eine große, seifigweiße Wolke tanzte über das Dach, Spatzen saßen auf diversen Vorsprüngen, und hinter den Fenstern im Erdgeschoss standen ein paar künstliche Blumen. Es war ein hässlicher, aufgetakelter Kasten, und wenn er im großen Feuer abgebrannt wäre, hätte ihm niemand eine Träne nachgeweint, doch das interessierte Frank nicht, heute nicht. Er pfiff sogar ein Liedchen, als er auf die Haustür zuging, und war der harmloseste, diskreteste Mann, den man sich nur vorstellen konnte, als er ihr Gepäck einlud, sie vom Haus zum Wagen eskortierte und ihr die Tür aufhielt. Dann ließ er den Motor an und fuhr äußerst achtsam durch die vertrauten Straßen, so umsichtig und rücksichtsvoll wie ein Richter - bis zur Stadtgrenze, wo er das Gaspedal durchtrat und den Gelben Teufel den ganzen Weg zurück nach Wisconsin seinem Namen

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