Die Frauen
die sich im Schatten aufhielten, weil sie sich schämten.
Seit einer Woche oder länger war es immer schlimmer geworden, weil diese Weißen - Brodelle und der Spülwasser-Mann und die anderen, die Speckgesichter in der Stadt, die Ladenbesitzer und Pferdehändler, die Bauern in ihren Pferdewagen und schwarzen Ford-Automobilen - ihm nicht mehr Beachtung schenkten als einem Käfer. Eher weniger.* Einen Käfer konnten sie wenigstens sehen, doch ihn nahmen sie überhaupt nicht wahr, weil ihnen das, was sie da sahen, ebensowenig gefiel wie ihm selbst.
Außer, sie wollten etwas von ihm. Dann hieß es: Carleton, hol mir dies. Carleton, putz mir die Schuhe. Carleton, die Suppe ist kalt. Und Gertrude. Gertrude sah ihn von morgens bis abends mit diesem trübseligen Blick an, mäkelte an ihm herum und bettelte ihn an, er solle der Hausherrin doch bitte bloß keinen Grund zum Ärger geben - oder den Kindern oder den großmächtigen heiligen Hausgästen oder dem blinzelnden Idioten von einem Lebensmittelhändler, als wäre jeder von denen ein König oder eine Königin von Gottes Gnaden -, und es war immer dasselbe dämliche Bauerngestammel. Altweibergewäsch und Binsenweisheiten. Wie Durchfall, der am falschen Ende herauskam.
* Ich kann mir gut vorstellen, wie dieser Barbadier sich gefühlt haben muss, denn ich habe in diesem blütenweißen Staat meine eigenen Erfahrungen gemacht, aber als gaijin in Japan hat O ’Flaherty-San auch einiges dazu zu sagen. Er kann kaum eine Straße entlanggehen, ohne dass die Leute hinter seinem Rücken »Langnase« oder »Butterstinker« flüstern. Unsere Familie begegnet ihm natürlich nicht mit Vorurteilen und weiß seine Qualitäten zu würdigen. Auch wenn er ein gaijin ist.
Als sie an diesem Morgen im pulsierenden Grau der Morgendämmerung aufgestanden war, hatte sie als erstes gesagt: »Julian, Julian, ich hab von ein Ferkel geträumt.« Er ignorierte sie, spritzte sich Wasser ins Gesicht und rasierte sich nach Gefühl, denn er wollte nicht in den Spiegel sehen. »Und nich bloß von ein Ferkel.« Sie trat von hinten an ihn heran und sah ihn sorgenvoll an. Ihre Stimme klang beklommen - das kam von diesem Bajan-Aberglauben, diesem Unsinn, denn das war es ja: reine Dummheit. In ihren Augen standen Tränen. »Ich hab auch von ner Hochzeit geträumt, verstehst du?
Schwein. Schwein und Hochzeit, alles in ein Traum -«
»Ach, hör doch auf«, fuhr er sie an und wandte ihr den Rücken. Das Handtuch fühlte sich auf seinem Gesicht an wie Sandpapier. »Es wird keine Hochzeit geben. Nicht hier, nicht bei diesen Leuten. Die sind sich zu gut für die Formen und Rituale der Zivilisation. Für die Bibel. Für irgendwas außer für sich selbst.«
Ihre Augen zerflossen förmlich. Sie kehrte die Handflächen nach oben und sagte flehend, mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Gurgeln war: »Aber weiß du denn nich, was das heißt?«
Er wusste es. Wenn eine Hochzeit und ein Schwein in ein und demselben Traum vorkamen, bedeutete das, dass eine Katastrophe bevorstand, pop-pop, Blutvergießen, Horror. Und vielleicht stimmte das ja auch, aber er wollte nichts davon hören. Nicht jetzt. Nicht am frühen Morgen, wenn er das weiße Jackett anziehen und die Weißen bedienen und sich verbeugen und kriechen musste wie ein Plantagennigger. Und auch sonst nicht. »Hör auf mit dem Quatsch«, sagte er und fuhr zu ihr herum.
Sie wich vor ihm zurück, sie schrumpfte regelrecht, aber sie hörte nicht auf. Hörte nicht auf zu reden. Hörte nicht auf, ihm zuzusetzen. »Was willst du mit dem Beil?«
»Beil? Was für ein Beil? Ich weiß nichts von irgendeinem Beil.« »Unterm Kissen.
Das Beil für die Schindeln. Das Beil.«
Er zuckte die Schultern, ertappt bei einer Lüge - wer war sie eigentlich, seine Aufseherin? »Ist doch egal«, sagte er, und seine Worte schwebten einfach vorbei.
»Zum Schutz. Das hab ich zum Schutz.«
»Vor was? Vor Bären?« Sie sah ihn schärfer an. Sie war in der Offensive, und das gefiel ihm gar nicht. »Vor den Indjanern mit dem Tommahack? Vor Dieben? Oder vielleichtvor Jesus? Vielleicht kommt Jesus dich holen, und dann hacks du ihn in kleine Stücke.«
Sie trat einen Schritt zurück, so dass sie gerade außer Reichweite war, noch immer im Nachthemd, und ihre Augen waren wie zwei Kohlen im Ofen, zwei rotglühende Kohlen, die nichts auf der Welt auslöschen konnte. »Julian«, flüsterte sie. »Julian.«
»Was? Was ist? Siehst du nicht, dass ich zu arbeiten habe?«
»Ich hab dich
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