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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gehört. Gestern nacht. Und die Nacht davor auch. Du has da am Fenster gesessen und mit dem Beil geredet, und du has es aufm Schoß gehabt wien kleines Baby, wie ne Zauberpuppe. Is es das? Is es deine Zauberpuppe?«
    Auf diese Art von eigensinniger Dämlichkeit gab es keine Antwort, und sie wusste es, bevor die Worte ihren Mund verlassen hatten, denn er hatte es sie gelehrt und würde fortfahren, es sie zu lehren, bis sie es gelernt hatte, und so tat er zwei rasche Schritte vorwärts, packte ihr Gesicht mit der rechten Hand und drückte in die Höhlung unter den Wangenknochen, bis ihr Mund sich verformte, und dann stieß er dieses schmutzige, verhasste, verzerrte schwarze Fischgesicht mit aller Kraft von sich, so dass sie zu Boden fiel wie eines ihrer aus Knochen und Lumpen gemachten Voodoofigürchen, und da wurde er erst recht wütend.
    Aber jetzt ging er durch den Hof, mit gesenktem Kopf, die Pfauen klagten, die Sonne hämmerte auf ihn ein, und er war so voller Zorn wie noch nie. Er setzte einen Fuß vor den anderen, der Mais dort unten sah, soweit das überhaupt möglich war, wie hohes, grünes Zuckerrohr aus, und vielleicht würde sie es sich noch einmal überlegen, vielleicht würde sie es zurücknehmen und ihn behalten - wenn er es nur bis zu dem Feld dort unten schaffte und seinen Hass aus sich herauslaufen lassen konnte wie das Gift aus einem Schlangenbiss, bis sein Herz sich beruhigt und das Hämmern in seinem Kopf aufgehört hatte. Sein Sinn war so ausschließlich darauf gerichtet, dass er die Gestalt im Schatten des Stalls erst sah, als sie mit einem Schritt - einem Riesenschritt - ins helle Sonnenlicht trat und ihn am Arm packte.
    Brodelle. Brodelle in Reithose und Reitstiefeln. Er kniff die feuchten blauen Augen zusammen und spitzte die Lippen, weil er gleich etwas sagen würde, und was würde es wohl diesmal sein? Küss mir die Stiefel, leck mich am Arsch, lass die Hosen runter?
    Doch nein. »Sattle mein Pferd.« Das war es also. Sattle mein Pferd. »Ich hab’s eilig.«
    Er hatte gar keine Zeit, erstaunt zu sein, die Ereignisse folgten so rasch und unausweichlich und unaufhaltsam aufeinander, als wären es in einer Reihe aufgestellte Dominosteine, die nacheinander umfielen, und er befreite seinen Arm mit einem Ruck, als hätte ihn etwas gestochen, straffte die Schultern in der Sonne und starrte dem Mann ins Gesicht, diesem Idioten, diesem weißen Idioten, der todsicher gar nicht wusste, wie sehr er störte. Julian starrte ihn an. Starrte ihn einfach an. Und dann veränderte sich etwas, denn jetzt sah ihn Brodelle, sah ihn wirklich, wie ein Mann den anderen sieht, und das kantige Gesicht dessen, der Befehle gibt, verwandelte sich in etwas anderes, etwas Jungenhaftes und Machtloses, denn ein Befehl setzt eine Reaktion voraus - eine Verbeugung, Yessir, Massah -, und Julian reagierte nicht im geringsten. »Was ist los mit dir - bist du taub? Ich hab gesagt, du sollst das verdammte Pferd satteln.«
    Noch eine Sekunde lang hielt er mit seinem Blick diese weichen, nutzlosen feuchten Augen fest, und es brauchte kein Wort, jedes Wort wäre Verschwendung gewesen. Dann kehrte er ihm den Rücken und ging über den Hof in Richtung des Feldes, wo die grünen Maisstengel standen, während Brodelle ihn verfluchte - »Du verdammter Nigger-Hurensohn!« -, doch er wusste, dass er dort keine Linderung finden würde, nicht im Maisfeld und auch nirgendwo sonst, denn jetzt sprachen zwei Stimmen in seinem Kopf. Eine sagte: Vielleicht, vielleicht werde ich, vielleicht wird sie, und die andere sagte: Nie, nie wieder, niemals, niemals, niemals.
    Sie taugte nicht zur Krankenschwester - sie konnte weder die nötige Sympathie noch die erforderliche Geduld aufbringen, und beim Anblick von Blut wurde ihr schwummrig -, aber sie beugte sich über Gertrude, half ihr auf und sah sich hektisch nach einem Lappen oder Tuch um, nach einem Handtuch oder irgend etwas, das man verwenden konnte, um die Blutung zu stillen. Die Pfanne lag auf dem Boden, daneben zischte das verschmorte Stück Fleisch. Der Rauch ließ nach, bauschte sich und hob sich, bis er sich schließlich in durchsichtigen Fäden auflöste. Sie ging zur Spüle, ließ Wasser über einen Waschlappen laufen, der dort an einem Haken gehangen hatte, und versuchte, ihn auf Gertrudes Auge zu legen, doch die wich zurück und wollte sie nicht ansehen.
    »Nein, nein, Ma’am«, sagte sie immer wieder. »Machen Sie sich keine Mühe. Mit mir is alles in Ordnung. Mit Julian auch. Julian

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