Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
älter war als John und eher ein robuster Draufgänger, ein echter Junge vom Land, aber immerhin ein Kamerad, dem John sich anschließen konnte. Aber vielleicht war diese Idee doch nicht so gut - die Jungen sollten lieber ein eigenes Picknick veranstalten, möglicherweise unten am See, wo sie ihre überschüssige Energie loswerden konnten.Sie stand auf - Billy hatte den Rasenmäher jetzt übernommen, schnitt eine Bahn und entfernte sich dabei von Brunker, der bloß die Hände in die Taschen geschoben und sich im übrigen nicht gerührt hatte - und ging durch das Esszimmer zur Küche. Sie betrat die Küche kaum noch, erstens, weil es keinen Grund dafür gab, und zweitens, weil sie sich immer vorkam, als würde sie unbefugt irgendwo eindringen. Besonders wenn beide Carletons dort waren. Sie sagten oder taten eigentlich nichts Besonderes, aber sie schienen, wenn sie eintrat, irgendwie angespannt zu sein - was vermutlich ganz normal war. Auch wenn Mrs. Swenson nie etwas dagegen gehabt hatte. Ihr hätte es nichts ausgemacht, wenn Mamah ihr Lager unter der Spüle aufgeschlagen hätte, ja vermutlich hätte sie es sogar begrüßt, denn dann hätte sie sich den ganzen Tag in ihrem hohen, jammernden Ton bei ihr beklagen können. Die Carletons aber waren anders, und das respektierte sie.
    Erst als sie vor der Tür stand und die Hand auf den Knauf gelegt hatte, spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie hörte ein Geräusch, ein scharfes Klatschen, als würde Fleisch mit dem Klopfer bearbeitet, gefolgt von einem Fluch, einer Männerstimme, Carletons Stimme, die lauter wurde. Sie öffnete die Tür. Die Küche war heiß wie ein Ofen, die Fenster waren geschlossen, und Rauch hing in der Luft, weil in der Pfanne etwas verbrannte. Dann sah sie Carleton, der mit dem Rücken zu ihr vor etwas stand, das wie ein Haufen auf dem Boden liegender Wäsche aussah, nur dass es keine Wäsche war. Es war Gertrude. Ihr linkes Auge war zugeschwollen, und aus dem Mundwinkel rann ein leuchtendroter Blutstropfen. Sie kauerte in der Ecke und zuckte mit eingezogenem Kopf, die Arme schützend vor die Brust gehalten, vor ihm zurück.
    »Du blöde Kuh!« rief Carleton. »Ich hab dir schon tausendmal gesagt: Ich will mein Fleisch blutig! Blutig, hast du mich verstanden?«
    Die Tür stand offen. Von der Pfanne stieg Rauch auf. Carleton schien es nicht zu bemerken. Oder es war ihm gleichgültig. Er fühlte sich sicher. Er hatte die Fenster geschlossen, den Raum geschlossen, damit niemand ihn daran hindern konnte, seine Frau zu schlagen. Mamah stand wie gelähmt in der Tür.
    Unter Carletons Hemd zuckten die Schultern. Er senkte die Stimme. »Du blöde, dumme Bajan-Schlampe«, zischte er und trat einmal, zweimal mit der Spitze seines zerschrammten braunen Stiefels zu, als versuchte er, die Wand zu durchstoßen, und Gertrude keuchte. Abermals trat er zu. »Was muss ich eigentlich tun, damit ich hier ein bisschen Respekt kriege, ha? Was muss ich tun - dich umbringen? Ist es das, was du willst, Frau, ist es das?«
    In diesem Moment griff Mamah ein. Sie war entsetzt, von Panik erfüllt. Ihr erster Impuls war, davonzulaufen, doch sie packte die emaillierte Waschschüssel, hob sie wie einen Schild vor sich und warf sich zwischen die beiden. Er stand direkt vor ihr, ganz nah vor ihr, sie roch seinen Geruch, aufdringlicher und roher als alles, was sie je gerochen hatte: Er roch nach Tod, nach verdorbenem Fleisch, nach Fleisch, das in Flammen stand und in der Pfanne verschmorte. Er regte sich nicht, er zuckte nicht, wich nicht zurück, reagierte nicht auf ihre Anwesenheit, und für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie, er werde als nächstes über sie herfallen, doch dann sah sie, dass er ebenso geschockt war wie sie, dass sein Blick sich verschleierte, als wäre er soeben aus einem angenehmen Traum in diesen Alptraum aus Gewalt und Weißglut und der Flamme unter der Pfanne und dem aufsteigenden Rauch geraten. »Unterstehen Sie sich nicht«, sagte sie.
    Er trat einen Schritt zurück und ließ die Arme sinken.
    Mamah konnte ihre Stimme kaum beherrschen. Sie zitterte. »Raus hier!« rief sie. »Raus!«
    Und dann geschah etwas Seltsames: Er grinste sie an. Sein Blick wurde kalt, und dieses automatische Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Doch er rührte sich nicht. Und seine Hände waren zu Fäusten geballt. »So reden Sie mit mir?« sagte er, und keinerlei Emotion war ihm anzumerken. »Für was halten Sie sich eigentlich? Sie sind doch nichts als

Weitere Kostenlose Bücher