Die Frauen
Scheidung. Sie bekamen drei Kinder und führten ein geruhsames Leben - ein gewisser Ausgleich für die Katastrophe, in die Mamah und Wrieto San ihn gestürzt hatten. Cheneys Geschäfte gingen gut, er vergötterte seine Kinder und versäumte kein einziges Treffen seines College-Jahrgangs.
Am meisten freute sie sich immer auf die Mahlzeiten, wenn es keine Ablenkungen gab und sie die Gedanken der beiden erforschen konnte. Sie war erstaunt, welche Veränderungen in nur einem Jahr stattgefunden hatten. Sie erschienen ihr so viel reifer, besonders John, der fast schon ein junger Mann war, aber auch Martha, die eigentlich Franks Kind hätte sein sollen, es aber nicht war, wie jedermann an ihren Augen erkennen konnte - selbst Kitty, so besitzergreifend, eifersüchtig und rachgierig sie war, hätte das sofort sehen und ohne Zögern in die Scheidung einwilligen müssen. Ganz langsam begann Mamah, die Kinder mit den Ideen von Ellen Key vertraut zu machen, und Frank war ihr eine Hilfe, denn wenn er zu Hause war, veranstalteten sie für die Kinder eine Art sokratischen Dialog - sie hielten keine Vorträge, sondern leiteten das Gespräch ganz natürlich von alltäglichen Dingen über zu Themen wie die Liebe, die Seele und das Recht - nein, die Pflicht - der Frauen in aller Welt, aufzustehen und ihr Leben in eigene Hände zu nehmen.
Sie würde die Kinder nicht im Verlauf eines einzigen Sommers umkrempeln können, das wusste sie, doch sie hoffte, ihren Horizont zu erweitern, so wie sie Carletons Horizont erweiterte, mit dem Ziel, die Welt besser und gerechter zu machen. Und auf einer anderen Ebene wollte sie ihre Schuldgefühle lindern und eine Erklärung liefern für das, was in jener schrecklichen Nacht in Colorado geschehen war, als sie ohne ein Wort davongeschlichen war, denn sie hatte ihr eigenes Leben retten müssen, um imstande zu sein, das ihrer Kinder zu retten. Jedenfalls waren die beiden jetzt da, und Frank war da (sofern er nicht in Chicago zu tun hatte), und die Carletons waren in der Küche, und Billy Weston kam jeden Morgen den Hügel herauf, um dafür zu sorgen, das alles in Ordnung war, die Pfauen stießen ihre traurigen Schreie aus, die Kühe muhten, und die Pferde standen am Zaun und wieherten, denn sie wollten einen Apfel, sie wollten gesattelt und durch die Felder und über die Hügel geritten werden, und sie selbst war ebenfalls da und fühlte sich so erfüllt und im Einklang mit allem, wie sie es ihrer Erinnerung nach anderswo nie gewesen war.
Und dann kam ein Morgen, als das Frühstück abgeräumt war und die Kinder in ihren Zimmern waren und vermutlich lasen - das hoffte sie jedenfalls - und sie sich mit einer Tasse Kaffee an ihre Arbeit setzte. Sie hatte das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Was war es nur? Sie blickte auf den Hof und versuchte, sich zu erinnern. Die schwere, feuchte Luft trieb durch die offenen Schiebefenster herein und brachte den schwachen Duft der Streifenfarne mit, die Frank an den gelben Steinen der Grundmauern gepflanzt hatte. Um einen Kontrast zu erzeugen. Auch darin offenbarte sich sein Genie: in seiner Aufmerksamkeit für Kleinigkeiten. Die Blumenbeete im Hof waren voller Farben - dort wuchsen Mädchenaugen, Phlox, Stockrosen und Tigerlilien, sie sollte sich wirklich mehr darum kümmern -, Farben, die die Außenmauern nicht hatten, denn die folgten einem sehr schlichten chromatischen Schema: Grün vor Gelb, das in Gold überging. Sie sah Billy Weston, der am Fuß des Hügels mit Brunker offenbar über den Rasenmäher sprach. Das Licht der noch tiefstehenden Sonne glättete ihre Züge bis zur Unkenntlichkeit und machte ihre Gesichter zu zwei unregelmäßig leuchtenden, vom Schattenspiel ihrer Gebärden losgelösten Ovalen, und dahinter waren der See und die Straßen und die fernen Schemen weidender Rinder.
Sie trank einen Schluck Kaffee und blickte auf ihre Notizen.
Und dann fiel es ihr ein: Sie wollte mit der Köchin sprechen, sie wollte Gertrude fragen, ob sie nicht am Nachmittag etwas Besonderes für Martha backen könnte. Oder vielmehr für Marthas Freundin Edna, die auf ihrem Pony kommen wollte, dann konnten die beiden sich etwas Hübsches anziehen und auf der Veranda Tee trinken wie kleine Damen. Vielleicht ein paar Biskuits mit Creme und Kokosflocken - Gertrude war ein Genie, wenn es um Kokosflocken ging. Und wenn John versprach, die Mädchen nicht zu ärgern, würde er sich vielleicht auch dazugesellen dürfen. Wie auch Billy Westons Sohn Ernest, der ein Jahr
Weitere Kostenlose Bücher