Die Frauen
hallo. Was kann ich für dich tun?«
Sie konnte nicht an sich halten, und die Luft fuhr ihr stoßweise durch die Kehle, als hätte sie eine Luftpumpe verschluckt: »Du Verbrecher!« kreischte sie. »Du Ratte! Du, du miese Kanaille! Wie kannst du es wagen, so mit mir umzugehen? Wie kannst du es wagen?!«
»Miriam«, sagte er. Und dann sagte er womöglich noch etwas, um sie zu beruhigen, in diesem sanften priesterlichen Ton, dessen er sich in seinen selbstgerechten Momenten bediente, also in ungefähr achtzig Prozent der Fälle, doch sie hörte ihn nicht, wollte ihn nicht hören.»Verdammt!« rief sie. »Verdammt! Du meinst wohl, du könntest mir einfach so den Laufpass geben, wie einer Hure, irgendeiner ... einer Schlampe, die du zu deinem Vergnügen benutzt hast und jetzt leid bist, wie? Wenn das so ist -«
Es ging noch eine Weile so weiter, eine ganze Weile, inklusive Tränen - sie konnte nicht anders, schließlich war sie auch nur ein Mensch, und etwas so Niedriges und Schmutziges hatte man ihr noch nie angetan -, und er versuchte sanft und beschwichtigend auf sie einzureden, doch der bloße Klang seiner Stimme, seine Selbstgefälligkeit, seine Entschiedenheit, brachte sie noch mehr in Rage, bis er sich verhärtete und die Verbindung abrupt unterbrochen wurde.
Nachdem sie am nächsten Morgen gebadet, ihr Haar gerichtet und ihre Pravaz benutzt hatte, damit die Wärme bis in ihre Zehen und Fingerspitzen kroch und sie abstumpfte gegenüber dem, was der Tag so bringen mochte (ja, sie hatte ihr Etui vor Frank immer so gut wie möglich verborgen und auch vor Leora, nicht weil sie sich schämte oder befürchtete, eine morphinomane oder dergleichen zu werden, sondern weil ihre Medikamente ganz allein ihre Sache waren, ihre Privatangelegenheit, und andere Menschen nichts angingen, mochten sie ihr auch noch so nahestehen - oder nahegestanden haben), besprach sie sich beim Frühstück mit Leora, und sie waren sich einig, dass sie einen eigenen Rechtsanwalt brauchte. Schließlich hatte Frank einen Anwalt. Warum sollte sie dann keinen haben? Kannten sie nicht beide genügend Frauen, die wie ein Gepäckstück vor die Tür gesetzt worden waren, ohne einen Dollar in der Tasche? Nein, ohne einen Cent. Ohne einen einzigen Cent.
Nach dem Frühstück ging sie in den Bungalow hinüber und vereinbarte telefonisch für den Nachmittag einen Termin mit Wilson Siddons Barker III, einem auf Ehescheidungen spezialisierten Anwalt, der von zahlreichen Leuten aus Leoras Bekanntschaft wärmstens empfohlen wurde. Sie verwandte viel Zeit - fast den ganzen Vormittag - auf ihr Make-up und ihre Kleidung und entschied sich am Ende für ein selbstentworfenes, marineblaues Frühlingskostüm aus feinem Wollgabardine mit Seidenfutter, ihr blaues Samtcape und den dazugehörigen Turban. Abgerundet wurde das Ganze durch ihre Perlen, die Lorgnette sowie eine doppelte Jettkette und eine Diamantbrosche, die ihre Mutter ihr vererbt hatte. »Donnerwetter«, sagte Leora, als sie Miriam begutachtete, »du siehst wirklich umwerfend aus.«
»Findest du die Diamantbrosche übertrieben?« fragte Miriam, während sie sich in dem großen Spiegel in der Diele musterte.
Auch Leora hatte sich mit Bedacht gekleidet, und sie hatte Stil, keine Frage. Sie sah lange nicht so spektakulär aus wie Miriam, aber Miriam wusste sich eben auch auf eine Weise zu präsentieren, wie Leora es nicht vermochte. Trotzdem musste Miriam zugeben, dass ihre Freundin hinreißend aussah in ihrem mauvefarbenen Crêpe de Chine und einem Topfhut mit Pfauenfedern, die ihr todschick über die eine Schulter fielen. »Nein, nein«, murmelte Leora, die Lippen geschürzt, den Blick auf sie geheftet.
»Du sollst schließlich Eindruck machen.«
»Gefällt es dir? Ja? Wirklich?« Tiefe Befriedigung erfüllte Miriam, und einen Moment lang vergaß sie, was der eigentliche Zweck des Ganzen war. Ja, sie wollten im Hotel Beverly Hills zu Mittag essen, aber das war nur eine kleine Zerstreuung vor der eigentlichen Pièce de résistance - dem Gespräch mit dem Anwalt und dem, was damit verbunden war. »Also, diese Brosche hier - und die Kamee, siehst du diese Kamee? Das sollen die drei Grazien sein, Aglaia, Euphrosyne und Thalia - entzückend, nicht? Glanz, Frohsinn und Glück. Das hat alles einmal meiner Mutter gehört und vorher deren Mutter. Mein Schmuck -« sie erhaschte einen Blick auf ihr Spiegelbild und sah eine große, majestätische Frau, die Sorte Frau, die für sich selbst sorgen, sich einen
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