Die Frauen
der Tür stand. Und als sie sich rund vier Monate später schließlich auf eine Scheidungsvereinbarung geeinigt hatten - 10.000 Dollar in bar,
250 Dollar monatlicher Unterhalt und ein fünfzigprozentiger Besitzanteil an Taliesin -, legte er sogar noch etwas drauf. Sie habe immer gesagt, dass sie nach Paris zurückgehen wolle, erklärten seine Anwälte den ihren - so habe er das jedenfalls verstanden -, und sie solle wissen, dass er diesem Anliegen aufgeschlossen
gegenüberstehe. So sehr sogar, dass er ihr, falls sie binnen sechs Wochen nach Unterzeichnung der Scheidungsvereinbarung nach Paris abreise, noch einmal tausend Dollar geben werde, unabhängig von allem anderen - einfach, um ihr den Übergang zu erleichtern.
Sie dachte darüber nach: Paris, die Zimmer, die sie über einem Antiquitätenladen in der Rue des Saints-Peres gemietet und die Künstler, die sie zu ihren engsten Vertrauten gezählt hatte, die Bistros, die Cafés, das freizügige Leben, das sie nach Emils Tod geführt hatte ... Beinahe hätte sie sich darauf eingelassen. Paris im Winter. Paris über Weihnachten. Der Duft gerösteter marrons, der in den Straßen hing, das blaugraue Licht des Nachmittags, echtes Leben, echtes Essen, bouillabaisse, foie gras, les fromages. Doch es war irgend etwas im Gange, was ihr nicht gefiel, etwas, was er vor ihr verbarg. Sie kannte ihn. Sie wusste, wie er dachte.
Wovon sie nicht wusste - noch nicht -, das war Olgivanna.
Kapitel 3
WIE ES SO BRENNT
Frank schloss Svetlana ins Herz, als wäre sie sein eigenes Kind, und im ersten Monat des neuen Jahres schien es Olgivanna, als bemühte er sich geradezu, das Mädchen zu verziehen - endlose Ausflüge in den Zoo, Konzerte, Schlittschuhpartien auf dem Michigansee, Frankfurter Würstchen, Popcornkugeln, kandierte Äpfel am Spieß -, aber das war ja gerade Teil seines Charmes. Er machte keine halben Sachen. Er lebte leidenschaftlich gern, er war in sie und in ihre Tochter verliebt, er war aufrichtig und unbefangen - allerdings schien es ihn zu irritieren, dass man Svetlana natürlich für seine Enkelin hielt, wenn sie zusammen unterwegs waren. Er sei kein Großvater, protestierte er (dabei war er es sehr wohl - sein Sohn John hatte eine drei- oder vierjährige Tochter, das wusste Olgivanna), doch selbst wenn er in einer Illusion lebte, wenn er beglückt neben ihr herstolzierte wie ein jugendlicher Liebhaber, warum sollte man es ihm verwehren? Svetlana hätte durchaus seine Tochter sein können - hätte es sein sollen, eine bezaubernde, langgliedrige Schönheit von sieben Jahren, die viel mehr von ihrer Mutter als von Vlademar hatte und es genoss, derart umsorgt und verwöhnt zu werden, sich huckepack von ihm tragen zu lassen oder neben ihn auf den Klavierstuhl zu klettern, auf die Tasten zu hämmern und mit ihm zusammen »Shine On, Harvest Moon« oder »Sweeter Than Sugar« zu singen, ihre Stimme piepsig und zaghaft, während sein sanfter Tenor unbeirrt die Melodie hielt.
Es war Olgivanna klar, dass er sich um eine Rolle bewarb - Daddy Frank, so nannte ihre Tochter ihn, er musste nur ins Zimmer treten, da sprang sie gleich auf, warf sich in seine Arme und rief: »Daddy Frank! Daddy Frank!« -, und sie wusste das zu würdigen, dieses Ungestüm seiner Hingabe und seines Verlangens. Er war eine Naturgewalt, genau das war er, eine Lawine der Bedürfnisse und Emotionen, die alles mit sich riss. Und auch sie war verliebt, war verrückt nach ihm, nach dem Vergnügen, das er an ihr hatte, dem Vergnügen, das er ihr schenkte (Vlademar war nichts im Vergleich zu ihm, gar nichts, ein Weichling, so anziehend wie ein Spüllappen, und sie würde zeit ihres Lebens verkünden, sie habe, bis sie Frank kennenlernte, nicht gewusst, was Liebe wirklich sei - der körperliche Akt, die Vereinigung zweier Körper über das Verschmelzen der Seelen hinaus.) Außerdem war sie auf der Suche nach etwas, woran sie sich festhalten konnte, nach einem Sinn, einem Modus vivendi, ja, aber ebenso nach Schutz und Geborgenheit, und er bot ihr ein Paar breite Schultern, als sie diese am dringendsten brauchte: Ihre Ersparnisse schmolzen dahin, ihr Mann tat wenig, um dem abzuhelfen, und es war ihr unangenehm, in Abhängigkeit von anderen zu leben, nur ein Gast in jener überfüllten Wohnung in Chicago, bei Leuten, die sie von Anfang an nicht sonderlich gemocht hatte. Als er sie also einlud, noch einmal nach Taliesin zu kommen, aber diesmal mit ihrer Tochter und nicht nur für ein Wochenende, sondern um
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