Die Frauen
Anfang an klargemacht, dass mit ihr nicht zu scherzen sei. Sie hatte eine Pistole. Und sie war fest davon überzeugt, dass ihr Skarabäus-Ring Zauberkräfte besaß und nach Art des Voodoo in Haiti oder New Orleans offene Rechnungen für sie zu begleichen vermochte.
Plötzlich näherten sich draußen im Flur eilige Schritte, rasch und entschlossen. Sie hörte Alice atemlos »Halt!« japsen, dann ertönten weitere Schritte, und die Stimme eines Mannes wiederholte den Befehl, während zugleich die Tür des gegenüberliegenden Zimmers aufgerissen wurde und eine Frau in ihrem Blickfeld erschien, ganz wehender Mantel und Hut und wütend vorgereckte Schultern. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf - sollte sie versuchen, das Baby zu verstecken, es unter die Bettdecke oder das Kissen schieben oder gar unters Bett legen? -, dann flog ihre Tür auf, und Miriam stand da, das Gesicht rot und aufgedunsen, die Augen eng beieinanderstehend wie bei einem Tier, Miriam, deren zuckender Mund das einzige Wort formte, das ihr in diesem Moment einfiel: »Sie!« rief sie. »Sie!«
Als Frank schließlich eintraf - außer Atem, kreidebleich, das Haar windzerzaust -, war die Gefahr gebannt, zumindest die akute. Dafür hatte der Krankenpfleger gesorgt. Miriam war fort, schon lange, war, wilde Drohungen und Beleidigungen ausstoßend, hinausgeführt worden, und in den Fluren herrschte eine Stille wie nach einer Naturkatastrophe, doch Olgivanna sah sie immer noch vor sich. Spürte sie. Spürte ihren Hass und Neid und ihre Angst, die förmlich in der Atmosphäre vibrierten. Es hatte einen ins Endlose gedehnten Augenblick gegeben, als die Tür wie in Zeitlupe gegen die Wand schlug und wieder zurückschwang und diese Frau, Franks Ehefrau, auf der Schwelle stand, ihre zuckenden Gesichtszüge ein Spiegel ihrer vielfältigen Gefühle, einen Augenblick, in dem Olgivanna, so schwach sie auch sein mochte, so verängstigt und gedemütigt, in Miriam hineinsehen konnte, in die verlassene Ehefrau, die ihrer Nachfolgerin gegenüberstand, dem Schreckgespenst, dem Sukkubus, der ihr den Mann gestohlen hatte. Und da hatte sich etwas in ihr geregt. Nicht Aggression, nicht der Wille, sich zu verteidigen - wobei der durchaus dasein würde, wenn es darauf ankam -, sondern so etwas wie Mitleid.
Es hielt nicht lange an.
Denn als der Krankenpfleger mit einem Satz auf der Bildfläche erschien, als er Miriam am Arm packte und sie sich wehrte wie eine Katze, die man in einen Sack gesteckthat, begannen die unflätigen Worte aus ihr herauszusprudeln. »Schlampe!« kreischte sie, riss sich los und steckte das Gesicht wieder ins Zimmer. »Blutsaugerin! Hure!
Lassen Sie meinen Mann in Ruhe!« Doch dann war Alice da, schlüpfte an den beiden vorbei ins Zimmer und sicherte die Tür, indem sie sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen das unnachgiebige Eichenholz lehnte, während Iovanna, schon am dritten Tag ihres jungen Lebens in Gefahr geraten, nach jähem, scharfem Luftholen zu brüllen begann, ihr Gesicht knallrot angelaufen, ihre Hände nach der Luft grapschend, als könnte sie von ihr Besitz ergreifen.
»Ich weiß, dass du noch schwach bist«, sagte Frank gerade. Er ging im Zimmer auf und ab, fünf Schritte nach rechts, Kehrtwende, fünf Schritte nach links, erneute Kehrtwende. »Es war eine schwierige Geburt. Du brauchst Ruhe. Aber ich kann nicht zulassen, das so etwas noch einmal passiert - es ist einfach zu riskant. Und die Presse -« »Sie hat mir angst gemacht. Und dem Baby auch. Es hat angefangen zu schreien.« »Zum Henker mit dieser Frau. Zum Henker.«
Die Bettdecke lastete auf ihr wie eine Grabplatte. Sie hatte sich noch nie im Leben so müde gefühlt. »Sie ist deine Frau, Frank. Aber wie konnte es bloß dazu kommen? Wie konntest du diese Frau je lieben?«
Er kam nicht zu ihr, um ihre Hand zu nehmen oder sie zu umarmen oder ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen - er ging immer weiter auf und ab, und ihre Frage, die Frage nach der Liebe, damals wie heute, blieb unbeantwortet. Auf einmal schien das Zimmer zu schrumpfen, vor ihren Augen kleiner zu werden. Sie kam sich vor wie in einer Gefängniszelle - und wer war der Wärter? Er. Frank. »Sie ist rachsüchtig«, sagte er. »Das ist alles. Eine Frau, die verschmäht wurde - dabei war sie es, die sich von mir getrennt hat, vergiss das nicht ... Aber wir müssen dich hier rausholen, und deshalb habe ich mit deinem Bruder telefoniert.«
»Mit meinem Bruder?«
»Es ist schon alles arrangiert. Morgen in aller
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