Die Frauen
öffentliche Demütigung, nichts anderes als das, was die Puritaner mit ihren Tauchstühlen und Stöcken bewirkt hatten, der gesamte Vorgang, von dem Moment an, wo sie vor den Richter traten, bis zur Freilassung auf Kaution, eine solche Schmach, dass es ihr schier den Atem raubte. Als sie durch die Tür des Gerichtsgebäudes ins Freie trat, war sie desorientiert. Der Blitz blendete sie. Sie war unsicher auf den Beinen. »Olga«, riefen sie, als wären sie mit ihr bekannt, ihre Freunde oder Vertrauten, als wollten sie ihr nur helfen, und sie bildeten ein Knäuel um sie wie Rugbyspieler beim Gedränge. »Olga! Olga!« Es nieselte. Der Asphalt glänzte. Frank hielt sie am Arm, und seine Anwälte standen rechts und links von ihnen und versuchten sie abzuschirmen. »Olga! Olga! Würden Sie eine Stellungnahme abgeben? Frank? Mr. Wright?«
Sie wollte sich nur noch verstecken. Sie, die Enkelin von Marco Milanoff, Montenegros größtem General und Patrioten, die Tochter von Ivan Lazovich, dem obersten Richter von Montenegro, und Militza Milanoff, ihrerseits Generalin der montenegrinischen Armee, wurde zur Geächteten, Kriminellen, Ehebrecherin erklärt, doch Frank blieb im Regen auf der Treppe stehen, um jedem, der es hören wollte, zu sagen, wie übel man mit ihm mitgespielt habe und dass die Anklage an den Haaren herbeigezogen sei. Olgivanna wurde ganz klein. Starb tausend Tode. Und er redete weiter, während der Regen dichter wurde und die Stifte über die Seiten glitten. Sie starrte auf den Boden - »Olga! Olga!« -, und er hielt sie fest, wobei er zugleich mit dem anderen Arm gestikulierte und seine Stimme an- und abschwellen ließ, und dann gingen sie weiter, hinter sich einen Zug von Reportern und hundert oder mehr Hyänen, die nicht Besseres zu tun hatten.
Und wohin gingen sie? An einen freundlichen, geschützten Ort, wo es saubere Laken gab, ein Bett mit einer Decke, die sie sich über den Kopf ziehen konnten, bis alles vorbei war? Oder zu einer lichtlosen Höhle, tausend Meter unter dem Erdboden, wo sie nie wieder jemand belästigen würde? Nein. Sie überquerten die Straße und gingen ins Amtsgericht, um sich wegen ihres angeblichen Verstoßes gegen den Mann Act zu verantworten, denn ohne es zu bemerken, waren sie von Spitzeln beobachtet worden, als sie in La Crosse die Staatsgrenze überschritten hatten, was nach der beschränkten Lesart des Gesetzes darauf hinwies, dass Frank ihr seinen Willen aufgezwungen und sie seiner Verderbtheit Vorschub geleistet hatte. Als sie begriff, was geschah - das ganze Spektakel, eine weitere Treppe, ein weiterer Gerichtssaal mit einer weiteren Reihe blasser, vorwurfsvoller Gesichter-, spürte sie, wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Sie konnte nicht weitergehen. Sie ertrug es nicht. Diese Schmach, diese Schmach. Olga, Olga! Doch Frank stützte sie, die Tür öffnete sich vor ihnen, der Mob teilte sich, und sie stand abermals in den heiligen Hallen der Justiz: Heldenstatuen, kannelierte Säulen, Marmorböden, Leute, die sich nach ihnen umdrehten und gafften. Ihre Schritte auf den Bodenfliesen hallten wider. Dröhnten. Schrien ihre Schuld heraus.
Jetzt traten zwei Männer in dunklen Anzügen auf den Plan und führten sie trotz Levi Bancrofts Schnaufen und Händeringen in ein Zimmer in einem Seitengang - sie sah eine Flagge, einen Schreibtisch, ein halbes Dutzend Holzstühle, aber keinen Richter, keine Zuschauer, keine Presse -, während gleichzeitig zwei weitere Männer erschienen und Frank in die entgegengesetzte Richtung davonführten. »Halt die Ohren steif!« rief er ihr über die Schulter zu, und womöglich sagte er auch noch, dass er sie liebte, doch er war bereits verschwunden. Sie drückte ihre Tasche an sich. Schaute zu den Fenstern hinüber, zu der dunkel gebeizten Tür am anderen Ende des Zimmers, und der Anblick dieser Tür erschreckte sie: Sie führte zu einer Zelle, da war sie sich sicher.
»Wir sind Agenten des FBI, Ma’am, und wir würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen«, sagte einer der Männer und stellte ihr einen Stuhl hin. Sie hielt sich sehr aufrecht, während die beiden sich schwerfällig ihr gegenübersetzten. Derjenige, der gerade gesprochen hatte, zog ein Zigarettenetui hervor und reichte es ihr, doch sie schaute nicht hin, regte sich nicht. Ein Streichholz wurde angerissen, dann roch es nach Tabak, scharf und kräftig.
Eine ganze Weile sagte keiner etwas. Der Raum war dunkel, steril, kalt wie ein Kühlschrank. Diese Männer, diese Fremden, die sie
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