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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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hier unter Zwang festhielten, waren nicht einmal auf die Idee gekommen, das Licht oder die Heizung einzuschalten, und der Gedanke an diese Gleichgültigkeit deprimierte sie noch mehr. Sie wollte bei ihren Kindern sein. Sie wollte freigelassen werden. Aber das Ritual musste vollzogen werden:
    Die beiden waren FBI-Agenten, und sie war eine Gesetzesflüchtige, eine unerwünschte Ausländerin, die sich in ein Netz von Lügen verstrickt hatte.
    Der zweite Mann räusperte sich und sagte: »Fangen wir mit Ihrem Namen an. Sie heißen Olga Lazovich?«»Ja«, erwiderte sie. »Ja.« Und dann neigte sie den Kopf und erzählte ihnen mit sehr leiser Stimme alles, die ganze Wahrheit, zuviel der Wahrheit - »Puerto Rico? Wollen Sie damit sagen, dass Sie nach Puerto Rico geflohen und dann ohne Visum wieder eingereist sind?« -, bis es ihr vorkam, als hätte sie sich selbst in Ketten geschlagen und nichts, weder Gesetz noch Gnade, noch die öffentliche Meinung, könnte sie mehr retten.
    Eine weitere Nacht im Gefängnis. Hinter schwedischen Gardinen. So sagte man doch? Schwedische Gardinen* - diese ganze zweite schlaflose Nacht lang murmelte sie den Ausdruck in leisem Singsang vor sich hin, wiederholte diese absurde idiomatische Wendung panisch vor Sorge immer wieder, wie ein Gebet. Schwedische Gardinen, schwedische Gardinen. Es war kalt. Die Decke war schmal und dünn. Irgendwann
    begann sie zu glauben, dass sie Frank hasste - nicht Miriam, sondern Frank. Frank hatte sie das alles zu verdanken, nur Frank allein. Frank hatte sie ruiniert. Vernichtet.
    Sie in die niedersten Niederungen des Menschseins gezwungen. Sie stellte sich ihn in seiner Zelle vor, irgendwo in dem anderen Flügel des Gebäudes, wie er prahlte, sich spreizte, für seine Mitgefangenen die Fassade wahrte, der große Mann, der Meister, selbst noch im Niedergang. Und dann begann sie zu glauben, dass sie sich selbst hasste. Denn wenn sie stärker gewesen wäre, wenn sie ihm widerstanden hätte - und auch Taliesin mit seinem Frieden und seiner Schönheit, der Aussicht auf ein Zuhause, auf eine Zuflucht, auf Beständigkeit -, wenn sie nicht, von Georgei verstoßen, zu Frank gegangen wäre, wenn sie gewartet hätte, dann wäre all dies nicht passiert.
     
    * Ich habe mich oft gefragt, woher dieser seltsame Ausdruck stammt. Wrieto-San jedenfalls pflegte die Zeit seines Niedergangs, die sicher zu den schmerzlichsten Phasen seines Lebens gehörte, mit dem scherzhaften Kommentar herunterzuspielen: »Da habe ich mal für eine Weile meine japanischen Wandschirme gegen schwedische Gardinen vertauscht.«
     
    Im Morgengrauen kam jemand, um sie zu wecken und ihr ein hartes Brötchen und eine Blechtasse mit Kaffee zu bringen.
    Man führte sie wieder ins Gerichtsgebäude.
    Die Fotoapparate blitzten.
    Blitzten abermals.
    Und dann wurden Frank und sie zu ihrem Erstaunen - sie hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, mit Gefängnis, Ausweisung, dem Verlust der Kinder und auch Franks - gegen eine Bürgschaft von jeweils 15000 Dollar freigelassen, gezahlt von Franks Freunden, die sich hinter ihn gestellt hatten. Vlademar kam nach einem ausführlichen Gespräch mit Frank und seinen Anwälten* zur Vernunft und zog sowohl die Strafanzeige wegen Ehebruchs als auch seine Klage zurück. Der Sheriff von Sauk hatte angeblich die Rücknahme der Anklage wegen Justizflucht in die Wege geleitet, und die Klage wegen Verstoßes gegen den Mann Act wurde einer erneuten Prüfung unterzogen, da Vlademar, der in diesem Jahr nur sechzig Dollar Unterhalt für das Kind gezahlt hatte, einen Rückzieher machte und es offensichtlich war, dass sie und Frank wie Eheleute zusammenlebten und Frank für die Kinder sorgte. Diesmal erwartete sie ein Wagen, als sie die Treppe des Gerichtsgebäudes hinuntergingen. Auf dem Rücksitz saßen die Kinder. Der Chauffeur schlug den Reportern die Tür vor der Nase zu, und dann waren sie fort.
     
    * Der Chicago Tribune zufolge dauerte es fünf Stunden. Bei diesem Treffen hätte man gern Mäuschen gespielt.
     
    Eins blieb noch zu tun. Frank fing davon an, kaum dass das Auto losgefahren war, und ließ nicht mehr davon ab, weder während der Begrüßung der Kinder noch beim Mittag- und Abendessen oder am späteren Abend, und seine Anwälte stimmten wie Papageien ein, wann immer sich die Gelegenheit bot. »Wir sind noch nicht über den Berg«, sagte Frank immer wieder, bis sie beim Klang dieser Worte aus seinem Munde zusammenzuckte, als würde sie mit einem Knüppel geprügelt, der aus

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