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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Zimmer auch nur einen Mann, der nicht einen kleinen Jungen oder ein kleines Mädchen zu Hause hat? Eine Nichte? Einen Neffen?« Sie starrte sie böse an.
    »Sind Sie denn Bestien?«
    Gemurmel erhob sich, die rauhen Stimmen nun gedämpft, und dann war es in Ordnung. Der Sheriff kam durchs Zimmer auf sie zu, nahm den Hut ab, so dass man ein Gewirr plattgedrückter, schweißnasser Haare sah, und sagte ihr, es tue ihm leid, und wenn es nach ihm ginge, könnten sie gern bleiben. »Aber Sie müssen das verstehen, Ma’am, es ist meine Pflicht, dem Gesetz zu dienen, und diese Haftbefehle müssen vollstreckt werden.« Seine Stimme war sanft, fast liebenswürdig, und einen Moment lang dachte sie, er werde Svetlanas Kopf tätscheln. »Wir lassen Ihnen Zeit, um ein paar Sachen zusammenzupacken und Kleider für die Kinder herauszulegen, aber wir müssen die beiden in Schutzgewahrsam nehmen, verstehen Sie, zumindest bis morgen früh.«
    Jetzt mischte Frank sich mit hoher, gereizter Stimme wieder ein - »Schutzgewahrsam?
    Sind Sie wahnsinnig? Merken Sie denn nicht, dass diese Kinder ihre Mutter brauchen?«
    -, und sie sah, wie sich das Gesicht des Sheriffs verhärtete. Es war sinnlos. Die Stimmung im Raum schlug wieder um. Frank wurde am Arm gepackt, und dann standen sie und die Kinder in Mantel und Mütze da, die Tür ging auf, und sie wurden von der Nacht empfangen, den kalten Treppenstufen, dem heißen, harten Blitz der Kameras.
     
    ** Wrieto-San gibt auf diesen Bildern keine gute Figur ab, er scheint nicht Herr der Lage, sondern ihr hilflos ausgeliefert zu sein. Er wirkt konfus, als hätte er gerade bemerkt, dass er Hut und Mantel eines anderen angezogen und ein Stock-Surrogat zur Hand genommen hat. Und ohne respektlos sein zu wollen, muss ich doch sagen, dass er auf diesen Bildern beklagenswert durchschnittlich aussieht, wie ein dicklicher Schuhverkäufer, der zwischen den Regalen umherirrt, oder der Besitzer eines Feinkostgeschäfts, der sich zu erinnern versucht, was er bloß mit der aufgeschnittenen Mortadella gemacht hat.
     
    Dann kam die Nacht im Gefängnis, hinter Gittern, eine Nacht ohne die Kinder und ohne Frank - das hatten sie so geplant, Miriams Anwalt und die Polizei und ihre Komplizen von der Presse, um Franks Leid und Erniedrigung noch zu steigern, ihn so tief wie möglich zu demütigen -, gefolgt von der Gerichtsverhandlung, der Freilassung auf Kaution und einer neuerlichen Kameraattacke, als sie die Treppe des Gerichtsgebäudes in Minneapolis hinuntergingen. Sie hatte kein Auge zugetan. Hatte sich weder die Haare gekämmt noch ihre Kleider gebügelt, noch Lippenstift aufgetragen oder sich auch nur die Zähne geputzt. Im Gefängnis hatte es nach Ausscheidungen gestunken, nach der Gemeinschaftstoilette und dem Desinfektionsmittel, das den Gestank überlagern sollte. Die anderen Insassen - Betrunkene, Prostituierte und Morphiumsüchtige, primitive Menschen, ungebildet, ungewaschen, Pöbel - stöhnten und brabbelten die ganze Nacht hindurch, ein leises, monotones, hoffnungsloses Stimmengewirr, und sie musste ständig an die Kinder denken. Svetlana hatte schreckliche Angst gehabt und sich an sie geklammert, als die Aufseherin sie voneinander getrennt hatte, und die Kleine hatte den Kummer ihrer Schwester gespürt und gar nicht mehr aufgehört zu weinen, während sie durch den langen Korridor verschwunden war.
    »Es wird ihnen gutgehen«, hatte die Frau ihr immer wieder versichert, »ich bin die ganze Nacht bei ihnen, und ich bin mir sicher, dass Sie morgen wieder frei sein werden, Sie alle«, aber es würde ihnen eben nicht gutgehen, es würde ihnen nie mehr gutgehen, nie mehr. Wie denn auch? Sie waren brutal behandelt, terrorisiert, von Fremden aus dem Bett gerissen und von anderen Fremden eingesperrt worden, aus Gründen, die nicht einmal einem Erwachsenen einsichtig waren. »Was ist denn los, Mama?« hatte Svetlana immer wieder gefragt, während sie in dem Polizeiwagen durch die dunklen gewundenen Straßen fuhren, Frank nur ein Schatten in dem Wagen vor ihnen. »Hat Daddy Frank etwas Schlimmes getan? Oder du? Wo fahren wir hin, Mama? Was ist los?«
    Sie hatte keine Antwort für Svetlana - sie konnte sie nur im Arm halten, während das Auto schlingerte, das Baby zappelte und spuckte und die Scheinwerfer ihnen den Weg zu einer Art finalem Panorama der Schande und Entwürdigung leuchteten -, und auch für die Meute von Reportern am nächsten Morgen hatte sie keine Antwort. Die Vernehmung zur Anklage war eine

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