Die freien Amazonen - 3
ohne sie anfangen? Wie kann ich hier allein überleben?«
»Es gibt andere Möglichkeiten, als sich in der Einsamkeit zu verstecken.« Ramhara schien sich zu amüsieren.
»Als Sklavin leben? In Ketten dem Willen eines Mannes unterworfen sein?« Buartha sah verächtlich zu Snava hinüber.
Snava hob stolz den Kopf. »Ich habe mich entschlossen, meinem Herrn zu dienen, und durch diesen Entschluss lebe ich in Frieden mit ihm … Er schmückt mich mit Juwelen.« Snava hob die Ketten, so dass das Sonnenlicht sich in den Edelsteinen fing. »Ich sitze mit ihm beim Festmahl, ich schlafe, wo er schläft, und lebe, wo er lebt. Er hat nichts von Wert, was ich nicht mit ihm teile.« Sie sah sich angewidert um.
»Ich lebe nicht wie ein Tier.«
Buartha sah sich ihr Heim an, alles, was sie so stolz ihres Überlebens wegen geschaffen hatte. Zum ersten Mal erkannte sie die Primitivität ihres Obdachs. Schlecht gegerbte Felle beleidigten ihre Nase, schief geflochtene Körbe ihr Auge, ihr wurde übel von der sauren Milch, der ein mit Lehm verkleideter Trinkkorb eine braune Farbe gegeben hatte. Vor Scham verbarg sie das Gesicht in den Händen. »Es ist wahr, Millim«, klang es gedämpft hinter den Händen hervor. »Es gibt so vieles, was du nie gehabt hast. Kleider … richtige Trinkbecher … du weißt nicht einmal, was Brot ist.«
»Ich scheine bei schlammiger Milch gediehen zu sein«, antwortete Millim fröhlich. »Aber, oh … ich möchte so vieles anderes sehen.« Sie zog ihrer Mutter die Hände vom Gesicht und sah ihr tief in die Augen. »Ich möchte … ich möchte die Welt meiner Träume besuchen.« Dann betrachtete sie den bewusstlosen Gardisten. »Ich möchte lernen, was Männer sind … und was das Leben ist.« Millim lachte entzückt auf. »Mutter, ich werde die Gelegenheit bekommen zu tanzen.«
Buartha sah an ihrer Tochter vorbei zu der alten Hebamme hin. »Ich habe mein Bestes getan«, sagte sie. »Mein Allerbestes.«
»Ja, das habt Ihr«, nickte Ramhara. »Aber manchmal treffen wir eine freie Wahl, und es stellt sich heraus, dass wir uns falsch entschieden haben. Freiheit ist nicht das Gleiche wie Weisheit.«
Cara stellte sich vor sie hin und zog ihre Jacke aus, so dass Buartha die schreckliche Verstümmelung ihres Körpers sehen konnte.
»Breda«, sagte sie leise zu Buartha, »ich richtete meinen Hass gegen mich selbst und wählte die Deformierung weiblicher Formen. Ich glaubte, meine Probleme kämen von meiner Weiblichkeit her.« Sie zog die Jacke wieder an. »Ich habe mich geirrt.« Dann ergriff sie Buarthas Hand. »Ich nenne dich Schwester, weil du deinen Geist verstümmelt hast wie ich meinen Körper.«
Ramhara fasste nach Buarthas anderer Hand und sagte: »Es lernt sich leicht, sich selbst zu lieben, breda. Man kann es allein schaffen.«
Ein freundliches Lächeln umspielte ihre alten Augen. »Aber ich habe Hilfe gebraucht.«
»Du?«, fragte Buartha ungläubig.
»Ich habe mein volles halbes Jahr im Temora-Gildenhaus gebraucht, um mich von meinem Hass zu befreien.« Ermutigend drückte sie Buarthas Hand. »Wo Hass lebt, kann keine Liebe wachsen, mein Kind.«
»Könnt Ihr mir helfen?«, fragte Buartha hoffnungsvoll.
»Das können wir«, erklärten Cara und Ramhara einstimmig.
»Das ist der Grund, aus dem unsere Schwesternschaft existiert«, ergänzte Cara.
»Mach dich fertig zur Reise, Buartha.« Mühsam erhob sich die alte Frau vom Fußboden. »Millim muss weg zur Ausbildung.« Ramhara zeigte ihr Lächeln jetzt ganz offen. »Und du auch.«
Über Nina Boal und ›Ein Zusammentreffen‹
Nina Boal ist zurzeit Ganztagsstudentin. Sie will Mathematiklehrerin werden, hat Computer-Elektronik studiert und auf diesem Gebiet gearbeitet und zurückgebliebene Kinder unterrichtet. Als Single lebt sie in Chicago mit sieben Katzen - eins ihrer Hobbys ist das Züchten und Ausstellen von Siamesen. Ein weiteres, wie man aus ihrer Geschichte erraten kann, sind ostasiatische Kampfsportarten - in diesem Fall japanisches kendo oder Stockfechten. Arbeiten von ihr sind in Fighting Women News, einem Fanzine für ostasiatische Kampfsportarten, und in Geschichten von den Freien Amazonen veröffentlicht worden. Diese Geschichte erschien dort in etwas anderer Form.
Nina sagt: »Ich war einige Zeit in der Feministinnen-Bewegung aktiv und habe mir nie einreden lassen, es gebe angeborene,
›männliche‹ oder ›weibliche‹ Charakterzüge.« So entstand die Welt von Al Faa, wo ›weiblich‹ und ›männlich‹ ins Gegenteil
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