Die freien Amazonen - 3
versickerte in der Erde. Millim muss Wasser haben. Die in ihr aufsteigende Hysterie beraubte Buartha der Fähigkeit, klar zu denken.
Sie zog ihre Jacke aus, lief aus der Hütte zu dem kleinen Bach und warf die Jacke hinein. Als sie sich bückte, um das nasse Kleidungsstück aus dem Wasser zu ziehen, erschrak sie. Da im Schlamm war ein Stiefelabdruck … der Stiefelabdruck eines Fremden.
Verstört setzte Buartha sich hin und weinte. An einem einzigen Tag waren ihre beiden schrecklichsten Ängste wahr geworden. Eine unbekannte Krankheit hatte Millim niedergestreckt, und jetzt hatte ein fremder Mann die Kluft gefunden.
»O ihr Götter … Menschen haben uns gefunden.« Buartha zitterte vor Angst. »Warum jetzt? O Götter, alles ist verloren … alles ist verloren.« Furchtsam spähte sie umher. Ich kann Millim nicht allein lassen, sagte sie sich und blickte hoffnungslos zu den sie umgebenden Bergen hoch. Und ich kann sie nicht in Sicherheit bringen. Schluchzend warf Buartha sich mit dem Gesicht in den Morast.
Eine fremde Stimme riss sie aus ihrem Kummer. »Verzeiht mir …
kann ich Euch helfen?«
Erschrocken sprang Buartha auf die Füße. Schlamm tropfte von ihrem Gesicht und ihren nackten Brüsten. Durch den Schmutz schielend, erkannte sie undeutlich einen großen und dünnen Menschen. Kurze braune Krauslocken krönten ein wettergegerbtes Gesicht mit besorgtem Ausdruck.
Buartha wurde die Brust so eng, dass sie nicht mehr atmen konnte.
»Geht weg«, krächzte sie … Sie bekam keine Luft … die Worte wollten ihr nicht über die Lippen …
Sie spürte das heftige Hämmern ihres Herzens. Dann füllte Schmerz
… reißender, sengender Schmerz ihre Welt, und sie brach zusammen.
»Sie erwacht, breda. «
Buartha öffnete die Augen und sah in das freundliche Gesicht einer alten Frau.
»Ihr seid nicht ernsthaft krank, mestra.« Die Stimme klang tröstlich.
»Es war die Angst … Ihr habt aus Angst das Bewusstsein verloren.«
Buartha bemerkte, dass das runde Gesicht von einer weißen Haube umgeben war, der Haube einer Hebamme.
»Mein Name ist Ramhara n’ha Silima«, fuhr die sanfte Stimme fort.
»Meine Freundin und ich waren unterwegs vom Temora-Gildenhaus der Entsagenden hinauf nach Nevarsin, als sich uns ein Hindernis in den Weg stellte.« Die Freundlichkeit der Stimme beruhigte Buartha.
»Wir wollen Euch nichts Böses tun, mein Kind.«
Komisch, ein Kind genannt zu werden, dachte Buartha. Dabei habe ich selbst ein beinahe erwachsenes Kind. Bei diesem Gedanken fuhr sie plötzlich auf: »Millim! O Götter! … Was ist Millim widerfahren?« Sie kämpfte sich in die Höhe. »Meine Tochter?«
Eine feste Hand schob sie auf den Strohsack zurück. »Sie schläft jetzt, und Ihr müsst auch schlafen.«
Beruhigt durch die Vertrauen erweckende Stimme der alten Hebamme, schloss Buartha die Augen. Schon halb im Schlaf, meinte sie, ein seltsames Klingeln zu hören. Das müssen Ketten sein, dachte sie. Die Entsagenden haben seltsame Bräuche. Dann fiel sie in einen tiefen, heilsamen Schlaf.
Millim erwachte von einem hellen, klingelnden Geräusch. Sie erinnerte sich und riss die Augen auf. Menschen, dachte sie. Es sind Menschen hier. Aufgeregt setzte sie sich hoch und sah sich um.
»Fühlst du dich jetzt besser?« Die Frage kam von einem hoch gewachsenen jungen Mann. Nein, es war eine Frau, sagte sich Millim, aber der Körper war maskulin.
»Ja, danke.« Zu ihrer eigenen Überraschung reagierte Millim scheu.
»Ramhara schläft noch.« Die Frau wies auf eine Gestalt, die sich auf dem Fußboden zusammengerollt hatte. »Sie hat gestern bis an die Grenzen ihrer Kräfte gearbeitet. Ich kann ihr nicht begreiflich machen, dass sie nicht mehr jung ist.« Cara bemerkte die Neugier in den Augen des Mädchens. »Ich bin Cara, und ungeachtet dessen, was du siehst, eine Frau.« Ihr Gesicht wurde ernst. »Leider habe ich mein Aussehen verändern lassen, bevor ich verstand, dass das, was ich hasste, nicht meine Weiblichkeit war.«
Cara stand auf und ging zu einer anderen Gestalt auf dem Fußboden hinüber. »Ich fürchte um sein Leben.« Sie bückte sich und befühlte die Stirn des Kranken. Millim sah, dass es ein junger Mann war. »Er hat hohes Fieber und es will nicht sinken.«
Plötzlich wurde der Türvorhang zur Seite gezogen, und Licht strömte in die Hütte. Millim erkannte das Klingeln, das sie geweckt hatte. Eine weitere Frau trat ein.
»Ihr dürft ihn nicht sterben lassen.« Die Stimme der Frau klang herrisch. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher