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Die freien Amazonen - 3

Die freien Amazonen - 3

Titel: Die freien Amazonen - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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machten. Doch er sprach den Rest des Tages kein Wort mehr.
    Unglücklicherweise erstreckte sich dieses Schweigen nicht auf seinen Schlaf. Jamilla hatte Schwierigkeiten einzuschlafen, und als es ihr endlich gelungen war, träumte sie, ihr Baby weine nach ihr. Sie versuchte, zu ihm zu gelangen, aber sie konnte sich nicht bewegen, und das Weinen ging weiter und weiter, bis sie meinte, schreien zu müssen. Und dann wachte sie auf, und sie hörte das Weinen immer noch. Zitternd kroch sie zu Coryns Schlafsack hinüber und entdeckte, dass er die Quelle des Geräusches war. Er schlief fest, und er wimmerte. Jamilla schüttelte ihn sacht. Er fuhr in die Höhe und stieß seinen Kopf gegen ihren Kiefer.

    »Ein Alptraum?«, fragte sie mitfühlend.
    Er sah verdrossen in seinen Schoß und presste die Lippen fest zusammen.
    »Möchtest du darüber reden?«
    »Warum sollte ich mit dir reden wollen? Du interessierst dich doch für gar nichts. Du bist nichts als eine Amazone, tust, was dir passt.
    Gehst weg, wenn dir etwas unbequem wird - ich werde dir niemals vertrauen!« Er legte sich mit dem Rücken zu ihr hin. Jamilla kehrte zu ihrem Schlafsack zurück und gab sich Mühe, mit dem Zittern aufzuhören.
    Weinte ihr Sohn auch nach ihr, und würde er, wenn er älter geworden war, glauben, sie habe ihn im Stich gelassen, weil sie ihn nicht haben wollte? Würde er verstehen, dass sie gemeint hatte, wirklich das Beste für ihn zu tun, und dass sie keine Rücksicht darauf genommen hatte, was es sie kostete? Und war es das Beste für ihn?
    In dieser Nacht hörte sie Coryn nicht mehr. Sie hätte gern gewusst, ob er die ganze Zeit wach lag.
    Am nächsten Tag war er still, aber im Schlaf fing er wieder an zu weinen. Jamilla legte ihren Schlafsack neben seinen und sang, ganz leise, um ihn nicht zu wecken, ein Wiegenlied. Offenbar kam genug davon durch, denn er hörte auf zu weinen und schlief friedlich. Als er am Morgen erwachte und Jamilla neben sich fand, sah er sie merkwürdig an, sagte jedoch nichts. Und am Abend, als sie das Lager aufschlugen, trug er seinen Schlafsack neben ihren - nicht so nahe, wie sie einander am Morgen gewesen waren, aber viel näher als die andere Seite des Feuers, wo er anfangs gelegen hatte.
    Während der nächsten paar Tage taute er langsam ein bisschen auf.
    Er begann, Fragen über die Route zu stellen, die sie nahmen, über die ihm unbekannten Pflanzen am Weg und warum die Sterne so viel heller leuchteten als in der Stadt. Als sie noch einen Tag bis Nevarsin hatten, kamen sie durch eine Senke, in der die Überreste vieler Steinschläge verstreut lagen. Im Augenblick war die Straße frei, aber es hing noch genug von dem Berg über ihnen, um deutlich zu machen, dass sich das jederzeit ändern konnte. Coryn wirkte beim Ritt durch diesen Abschnitt sehr nervös. Erst als sie ihn hinter sich hatten, fragte er mit bemühter Beiläufigkeit: »Ist das der Ort, wo meine Mutter gestorben ist?«
    »Ich glaube, ja«, antwortete Perdita, »aber im Allgemeinen ist es hier ganz ungefährlich; ich bin schon dutzende von Malen durchgekommen. Jedenfalls sind wir jetzt durch.«
    »Richtig«, sagte Coryn. »Ganz durch.« Aber Jamilla bemerkte, dass er noch längere Zeit zitterte.
    In dieser Nacht legte er seinen Schlafsack so dicht neben ihren, dass sie sich beinahe berührten, und es überraschte sie nicht, als das Weinen losging. Diesmal steigerte es sich rasch zu Schluchzen, gefolgt von dem Schrei: »Mutter!«
    Perdita, die mehrere Fuß weiter weg schlief, wachte davon auf, aber Jamilla, die Coryn bereits in die Arme nahm, schüttelte den Kopf, und Perdita legte sich wieder hin.
    »Mutter, Mutter, verlass mich nicht!«, rief Coryn, immer noch halb im Schlaf, und klammerte sich verzweifelt an Jamilla.
    »Ist ja gut, chiyu«, murmelte Jamilla beschwichtigend. »Ich bin bei dir, ich halte ich fest, es ist alles in Ordnung.« Das wiederholte sie, bis sich Coryns krampfhafter Griff lockerte und er wieder einschlief.
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, saß er vor ihr und betrachtete sie. »Ich hatte heute Nacht einen komischen Traum«, verkündete er. »Ich träumte, ich suchte unter all diesen Steinen nach meiner Mutter, und dann war da diese alte Frau - wirklich alt, älter als jeder Mensch, den ich je gesehen habe -, und sie sagte, alle Entsagenden seien meine Mütter, weil sie alle Schwestern und Töchter derselben Mutter seien. Heißt das, dass du meine Mutter bist?«
    Lächelnd umarmte Jamilla ihn. »Ja, Coryn, das heißt

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