Die freien Amazonen - 3
grauenhaften Kopfschmerzen zu denken. »Wir haben sie hinausgeschickt, um Holz zu holen …«
»Keighvin, die Bewahrerin sagte, es sei noch eine Dritte da, die, die uns gerufen hat. Wohin ist sie gegangen?«, rief das Mädchen aus, das ihn überwacht hatte.
Keighvins Augen wurden unwiderstehlich von einem zusammengekrümmten Bündel in der Ecke angezogen. Er stand auf, machte zwei lange Schritte und sah auf es hinunter. Ein totenbleiches Gesicht hob sich ihm entgegen, das aus wenig mehr als der über den Schädel gespannten Haut zu bestehen schien.
Rafi starrte den jungen Heiler an und versuchte, seine Gedanken zu lesen. Sie interessierte jetzt nichts anderes mehr, als dass Caro und Lirella in guten Händen waren; sie war längst darüber hinaus, an sich selbst zu denken. In einem einzigen Augenblick hatte sie seinen Gedanken entnommen, dass mit ihnen alles zum Besten stand.
Erleichtert seufzte sie und entspannte sich - und die Hütte und die Menschen darin verblassten.
»Zandrus Höllen!«, rief Keighvin noch einmal. »Einer von euch muss herkommen und mir helfen!«
»Das hat sie alles ganz allein gemacht?«, fragte Caro ungläubig. Die drei Entsagenden saßen in Pelzmäntel gehüllt an dem frisch angefachten Feuer. Die leroni hatten alles mitgebracht, was sie für nützlich gehalten hatten, und das war ein Glück. Die beiden Heiler waren der Meinung, die Verwundeten dürften noch mindestens einen Tag nicht transportiert werden, und was Rafi anging - sie war in keinem besseren Zustand als ihre beiden Schwestern.
»Das alles und noch mehr«, erwiderte die Heilerin Gabriela. »Ich weiß nicht, ob ich daran gedacht hätte, euch von einem chervine in die Unterkunft ziehen zu lassen. Und ganz bestimmt hätte ich nicht den Mut gehabt, in der Überwelt nach Hilfe zu suchen, ohne überwacht zu werden.«
Rafi war es endlich wieder warm, und sie war so schläfrig und benommen, dass es ihr nicht darauf ankam, ob diese Leute über sie redeten, als sei sie gar nicht da. Tatsächlich war die Unterhaltung recht interessant.
»Was Ihr getan hättet, weiß ich nicht, mestra.« Keighvin hielt einen Becher mit Tee in beiden Händen. »Aber um brutal offen zu sein, ich hätte mich nicht so völlig verausgabt, wie sie es für euch getan hat.
Ich muss euch sagen, dass es ein paar Augenblicke lang ganz so aussah, als werde sie uns für immer entgleiten. Sie hat sich durch äußerste Erschöpfung beinahe umgebracht, um euch beide zu retten -
und, verdammt, sie betet euch an, wisst ihr. Nimmt den Eid der Entsagenden wörtlich, das haben wir alle in ihrem Geist gesehen.
Und ich kann mir immer noch nicht erklären, wie es jemand, der nicht als Heilerin ausgebildet ist, geschafft hat, euch so lange am Leben zu halten, bis wir hier waren.«
»Das hört sich gar nicht nach der Rafi an, die ich kenne«, meinte Lirella verwirrt.
Keighvin zog eine Augenbraue hoch. »Ich möchte sagen, ihr kennt sie längst nicht so gut, wie ihr gedacht habt.«
»Bei uns in den Bergen gibt es ein Sprichwort …«, ließ sich die Überwacherin Caitlin schüchtern hören. ›»Ein Kind lebt, was es lernt.‹
Nach allem, was ich sehen konnte, ist Rafi bei jeder Gelegenheit gesagt worden, sie sei unnütz. Wenn man dauernd hört, man sei ein Versager, neigt man dazu, einer zu werden. Und ich meine es nicht böse, mestra, aber für das Leben einer Söldnerin ist sie nicht gerade geeignet. Ohne es zu beabsichtigen, habt ihr sie vor eine weitere Aufgabe gestellt, bei der sie versagen musste.«
»Diese Unbeholfenheit zum Beispiel.« Er nahm nachdenklich einen Schluck Tee. »Dafür kann sie nichts. Es ist etwas zwischen hier - « , er klopfte sich an die Stirn, » - und hier nicht in Ordnung.« Er streckte die Hand aus. »Wenn ihr laran hättet, könnte ich es euch zeigen. Es überrascht mich, dass man es ihr in Neskaya nicht gesagt hat; es hätte ihr eine Menge Kummer erspart.«
»Kann man es heilen?«, wollte Caro wissen.
Keighvin schüttelte bedauernd den Kopf. »Das war vielleicht zur Zeit des Großvaters meines Großvaters möglich, aber heute nicht mehr. Jedes Jahr geht mehr Wissen verloren. Und eine ernstliche Behinderung ist es ja nicht. Sie muss sich nur daran gewöhnen, erst zu denken und sich dann erst zu bewegen.«
»Das kann sich eine Schwertkämpferin nicht leisten«, erinnerte Lirella ihn.
»Wer sagt, dass sie eine Schwertkämpferin werden muss?«, gab er zurück. »Meine Schwester gehört zu der Gilde von Elhalyn, und sie könnte sich
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