Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
indes nachdenklich
macht, ist nicht, dass ihr etwas abgehen würde, sondern, ganz im Gegenteil,
dass sie merkwürdig entspannt auf die Mitte ihrer Dreißiger zusteuert, ohne
eine Spur von Torschlusspanik zu verspüren, die sie von anderen Frauen in
ähnlichen Verhältnissen kennt. Männer, so hat sie für ihr derzeitiges Leben
herausgefunden, gehen ihr sexuell nicht unbedingt ab. Das soll nicht heißen,
dass es nicht auch Momente gibt, wo sie sich nach Zärtlichkeit und noch viel
mehr sehnt. Doch sie will es nicht um jeden Preis. Ja, und sie hat auch gewisse
lesbische Tendenzen, die sie jedoch für sich behält. Dann und wann ein
zärtlicher Tagtraum, Phantasien von ein bisschen Küssen und Knutschen mit einer
Freundin, mehr nicht.
Freilich, auch sie hatte ihre
sogenannte große Liebe. Ist schon eine Weile her. Rob war damals von Graz nach
Wien gekommen, wo er, ebenso wie Miriam Psychologie und Ethnologie studierte.
Ein unglaublich hübscher, drahtiger junger Bursche war er, mit schulterlangem,
kohlschwarzem, unverschämt gesund glänzendem Haar und feinen, sensiblen, ein
wenig femininen Gesichtszügen. Ein bisschen sah er aus wie einer dieser
bolivianischen Straßenmusiker, die abends immer vor dem Stephansplatz
musizierten, nur war er um einiges größer als die kleinen Südamerikaner.
Er war immer nett und
einfühlsam. Sie hatte manchmal das Gefühl, er wisse schon vor ihr, was sie brauchte
oder fühlte. Miriam war damals gerade in einen Wiener Wicca-Coven initiiert,
und Rob interessierte sich ebenso brennend für das moderne Hexentum. Im Coven
lernte er sie näher kennen und schließlich verliebten sie sich ineinander und
hatten eine rauschhaft schöne Zeit in Wien.
Dann aber bemerkte Miriam durch
einen Zufall, dass Rob ein Geheimnis hatte: Als sie an einem Sonntag in seiner
Wohnung waren und er hinunterging, um ihnen von der Pizzeria vis-a-vis Pizza zu
holen, stand sie vom Bett auf und suchte in seinen Schränken nach einem
Morgenmantel. Dabei entdeckte sie, dass einer der Kleiderkästen abgesperrt war.
Und wenngleich sie auch wusste, dass es grundsätzlich falsch und unrecht war,
das zu tun, öffnete sie mit einem Trick den versperrten Schrank. Dazu brauchte
sie nur mit etwas Kraft seitlich oben gegen das alte, ausgeleierte Möbelstück
zu drücken. Sobald der Kasten etwas aus dem Lot gekommen war, sprang die
Sperrleiste mit einem Knistern aus der Verankerung und gab die Schranktür frei.
Auf der Kleiderstange im Kasten
hingen Frauenkleider! Schöne, elegante und auch einige verspielte und
sportliche Sachen. In den Fächern darüber Frauenunterwäsche, Makeup, Nagellack,
Schminkpinsel, Kajalstifte, Rouge, Schminkpaletten, Wattepads, Modeschmuck,
Parfüm.
Rob hatte also heimlich eine
zweite Freundin!
Miriam wurde ganz schwindelig
und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie suchte nach Hinweisen, wer dieses
Mädchen sein könnte. Wahrscheinlich war es ohnehin eine ihrer gemeinsamen
Bekannten von der Uni. Dann sah sie die Pumps. Diese Schuhgröße! Welches
Mädchen in ihrem Bekanntenkreis trug so große Schuhe? Und dann, etwas weiter
hinten im Schrank, Büstenhalter-Silikoneinlagen! Welche Geliebte mit Schuhgröße
44 brauchte Brustprothesen, die den gesamten Büstenhalter ausfüllten?
Endlich jedoch auch noch ein
Packen mit Zeitschriften und Magazinen zum Thema Cross-Dressing. Rob war also
ganz offensichtlich ein Cross-Dresser! Und er hatte einen guten Geschmack:
Nichts Nuttiges oder Schlampenhaftes konnte sie in seiner Garderobe finden.
Keine ultrakurzen Röcke, keine Slips mit offenem Schritt und auch keine roten
Lackstiefel und so Zeug. Eher lauter edle und teure Sachen, Kleider, Kostüme,
Hosenanzüge.
Das alles deutete darauf hin,
dass Rob offensichtlich kein Anfänger war. Sie hatte in irgend einem Seminar an
der Uni schon mal dieses Thema gestreift und erfahren, dass nicht wenige Männer
dann und wann ganz gern in Frauenkleider steigen und darin onanierten. Das sei nicht
ungewöhnlich. Auf dieser einfachen Stufe des Pseudo-Cross-Dressings geht es
Männern schlichtweg nur darum, mal kurz in eine andere Rolle zu schlüpfen,
quasi die Haut einer Frau überzustülpen, und sich sexuell abzureagieren. Dazu
verwenden sie meistens Kleidungsstücke, die sie an Frauen besonders aufreizend,
geil und nuttig empfinden.
Anders bei echten Crossern: Sie
versuchen die weibliche Natur viel tiefer auszuloten, wollen nicht nur schnell
mal in ein heißes Dessous steigen, sondern benützen, unter anderem,
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