Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
unablässig, doch fühlten
sie beide eine starke Energie, die sie vorantrieb. Sie schwiegen die ganze Zeit
über und konzentrierten sich auf ihre Schritte.
Nun aber spürt der Teufl, dass
seine Kräfte nachlassen. Der Abstand zwischen ihm und Miriam wird immer größer,
das Atmen fällt ihm schwer. Die letzten Jahre hat er kaum mehr irgendetwas für
seine Fitness getan, kein Wunder also, dass allmählich seine Kraft schwindet.
Miriam indessen spurt voran,
begleitet von der treuen Lila, und merkt erst spät, dass sich ihr Weggefährte
schon ganz verzweifelt und weit hinter ihr den steilen Gebirgspfad hinauf
kämpft.
Mein Gott, warum sagt er denn
nichts!
Sie hält an. Erst nach zehn
Minuten ist er auf ihrer Höhe.
„Wir müssen rasten, sagt sie.
Ich bin müde.“
Teufl nickt nur und versucht,
seine schmerzende Atemlosigkeit so gut wie möglich zu verbergen. Seine Kleider
sind vollkommen durchnässt. Zum Glück ist es jetzt wärmer geworden, und es hat
aufgehört zu regnen. Die Sonne tritt zwischen den Wolken hervor. Sie setzen
sich auf einen der sonnenwarmen Felsen. Miriam zieht eine Wasserflasche, ein
paar Scheiben Brot und ein Stück Kuchen aus dem Rucksack. Den Kuchen gibt sie
Lila. Unter ihnen liegt ein pittoreskes Gemälde aus Nebelschwaden, Felsen und
grünen Weideflächen. Der Ort Dirnitz ist von hier oben nicht mehr zu sehen.
„Werden wir es heute
schaffen?“, fragt sie.
„Ich habe keine Ahnung. Als
Luftlinie betrachtet dürfte es keine große Distanz zur Bundesstraße sein, aber
wir müssen ja hier über ein Gebirge. Und“, er wendet seinen Kopf und schaut
nach oben, „es sieht so aus, als ob es noch ein weiter Weg bis zum nächsten
Pass wäre. Fraglich ist, was wir tun, wenn wir es bis zum Einbruch der
Dunkelheit nicht schaffen, wieder in eine wirtlichere Gegend zu kommen. Ich
könnte mir nicht vorstellen, hier im Geröll zu übernachten.
Die Hagazussa atmet tief durch.
Sie denkt an ihre zwei Katzen, die sie Boris überantworten musste. Wird er für
sie sorgen können? Igor, der Schwarzweiße, und Wotan, der rote Tigerkater - sie
hat beide aus dem Wiener Tierschutzhaus. Das war vor zwei Jahren, als sie in
einer Art Lebenskrise steckte. Damals arbeitete sie noch als Klinische
Psychologin in einem Wiener Krankenhaus. Dann war da auch noch die Arbeit im
Wicca-Coven, die fast all ihre verbliebene Zeit in Anspruch nahm. Und
schließlich spürte sie, dass ihre biologische Uhr zu ticken begonnen hatte.
Eine Zeit lang gab es dann den Wunsch nach einem Kind ohne Mann. Aber nicht,
weil sie Männer hasste, sondern weil die Beziehung mit einem Mann ihr Leben
noch mehr verkompliziert hätte.
Damals bat sie ihre
Hohepriesterin, für sie ein Ritual abzuhalten und die Mondgöttin um Rat zu
bitten. Lelani, die Hohepriesterin, geriet an diesem Abend in eine sehr tiefe
Trance, von der sie nachher meinte, dass sie die Mondenergie so deutlich wie
noch nie habe spüren können. Die Mondgöttin sprach durch Lelani, dass Miriam
ihrer Natur nach eine Wanderpriesterin sei. Wenn sie Kinder bekäme, sei das
auch gut und richtig, doch Wicca sei sie dann keine mehr, denn ihre Berufung
hätte sich somit geändert und sie würde in ihrer Rolle als Mutter und
vielleicht aus als Ehefrau voll aufgehen. Wie auch immer sie sich entscheide,
sie müsse das tun, was sie glaube, dass sie ganz und gar und ohne Kompromisse
zu tun imstande sei.
Miriam ging daraufhin selbst in
eine lange und tiefe Meditation. Und als sie zurückkehrte, wusste sie, dass sie
wahrscheinlich eine bessere Priesterin als Mutter sein würde. Sie teilte dies
Lelani mit, die ihr kurze Zeit später die dritte Weihe gab und ihr freistellte,
entweder einen neuen Coven zu gründen oder als Wanderpriesterin zu arbeiten.
Miriam wählte letztere Möglichkeit. Und sie unterbrach auch ihre Arbeit als
Psychotherapeutin auf unbestimmte Zeit. So ist sie zur Wanderhexe geworden! Sie
fühlte sich nun auch nur mehr partiell an die Statuten ihres Mutterordens
gebunden. Miriam musste ihrer eigenen Wege gehen.
In der Meditation jedoch hatte
sie auch das Bild eines lächelnden Kindes gesehen, das sich vor ihren inneren
Augen winkend von ihr verabschiedete, so als sei ein wahrscheinliches Kind nun
doch nicht das ihre geworden. Dafür schälten sich aus den übriggebliebenen
Schemen des Kindergesichtes die Gesichter zweier Katzen heraus: einer roten und
einer schwarz-weißen.
Dieser Eingebung folgte sie:
Wochenlang ging sie immer wieder in den Stallungen des Wiener
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