Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
angeheuert haben, eine derzeit sich ausbreitende, aber
harmlose Tierseuche medizinisch so darzustellen, als sei sie eine ernsthafte
Bedrohung für den Menschen. Es handelt sich dabei um das derzeit in
Mitteleuropa sich rasch ausbreitende Virus FBB, dem Erreger der „Rindervirose“.
Auch eine Reihe von Fernsehanstalten und Zeitungen hat der Konzernchef angeheuert
und so einen Schneeballeffekt bei der weltweiten Berichterstattung über diese
falschen Tatsachen erreicht. Damit hat de Lind den Verkauf des von LaDouche
hergestellten Virostatikums „Fludami-S“ so in die Höhe getrieben, dass die
Aktien des zur Zeit maroden Konzerns sprunghaft wieder an Wert zulegten. Fast
alle mitteleuropäischen Staaten haben im Zuge der Angst vor einer
unkontrollierbaren Pandemie große Mengen des Virostatikums bei LaDouche
bestellt. Die Umsatztsteigerung soll mehr als siebzig Millionen Euro betragen
haben. Der Schwindel ist ans Tageslicht gekommen, nachdem vor einer Woche ein
anonymer Anruf die New Yorker Polizei erreichte. Bei den nachfolgenden
Ermittlungen konnte der oben genannte Sachverhalt in allen Punkten bestätigt
werden.
Mit einem wahrhaft bitteren
Lächeln legt Gravogl die Zeitung beiseite. Die ganze Angelegenheit ist also nur
die Schuld eines Betrügers namens de Lind, der seine Aktien wieder auf
Vordermann bringen wollte. (Sie sind übrigens mittlerweile wieder in den Keller
gestürzt!) Wäre dieser Mann kein Betrüger, so gäbe es hier auch keine Toten.
Und es kommt ihm vor wie der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings, der am
Rande des Universums die Explosion einer Supernova auszulösen vermag.
Trotzdem ist die ganze Sache
noch nicht zu Ende gedacht. Immerhin hat die Hexe es geschafft, die Krankheit
zu heilen, ob für den Menschen gefährlich oder nicht, ist dabei weniger
wichtig. Wichtig ist, dass es die Schulmedizin nicht geschafft hat. Und es ist
ihm zu Ohren gekommen, dass die Hagazussa schon öfter solche Erfolge feiern
konnte. Berichten aus dem Internet zufolge hat sie auch schon leukämiekranke
Kinder geheilt und schädlingsverseuchte Weinkulturen. Noch eine ganze Reihe
anderer Erfolgsberichte kann man nachlesen. Und das auf Webseiten renommierter
Zeitungen und Zeitschriften. Ob das alles nur Zufall ist?
Und jetzt ist der Wagen der
Hagazussa ausgebrannt und sie selbst ist spurlos verschwunden. Dann schlägt er
sich auf die Stirn:
„Mein Gott, wie konnte ich das
nur vergessen!“
Erst jetzt fällt ihm wieder der
Drohbrief ein, den die Hagazussa bekommen hat. Sollte das wirklich ein Anschlag
gegen sie gewesen sein? Auffällig ist ja, dass nicht nur der Zigeunerwagen,
sondern auch das weiter weg stehende Auto vollkommen ausbrannten. Also haben
sie es wirklich getan! Das also sind unsere friedlichen Dirnitzer. Sie sind
bereit, mit jedem Mittel ihre Idylle hier zu verteidigen!
Aber wo könnte die Hagazussa
sein. Und was hat es mit dem Pfarrer auf sich. Hat er mit der ganzen Sache
etwas zu tun? Ist die Hexe etwa auf der Flucht und der Pfarrer begleitet sie?
Doch der Gravogl kann über
diese Gedanken nur lachen. Wie kämen die denn dazu, gemeinsam zu flüchten, eine
Hexe und ein Pfarrer!
Er schließt die Ordination und
geht zu Kathis Zimmer hinüber. Vorsichtig öffnet er die Tür. Die Kleine schläft
gerade. Er traut sich kaum zu atmen. Endlich hat sie ein bisschen Ruhe
gefunden. Eine Weile bleibt er stehen und betrachtet ihr glattes, ruhiges
Gesicht, das jetzt aussieht, als sei nie irgendetwas geschehen. Ein strömendes
Gefühl der Liebe erfüllt ihn. Alles wird wieder gut, denkt er, doch er fühlt
sich ein bisschen naiv dabei.
Dann geht er hinüber ins
Schlafzimmer und zum Kleiderschrank, wo Anna sich schon für das Begräbnis
umzieht. Sie streift gerade das schwarze lange Kleid über und er sieht das Tattoo
auf ihrem Arm. Wie oft er sie schon gebeten hat, es wegmachen zu lassen. Hier
trägt man sowas nicht. Außerdem kennt er dieses Symbol. Es ist ein
Cannabisblatt. Schon wegen der Kinder wäre ihm lieber gewesen, wenn sie´s
wegmachen hätte lassen.
„Sie haben einen Pfarrer aus
der Nachbarsgemeinde verständigt“, sagt Anna und dreht sich dabei so, dass
Gravogl ihr den Zippverschluss am Rücken zumachen kann. „Unser Pfarrer ist noch
immer unauffindbar.“
Gravogl nickt nur. Im
Kleiderschrank sucht er nach seinem schwarzen Anzug. Anna hat ein Kindermädchen
angeheuert, das jeden Moment kommen soll.
17
Die ersten paar Hundert
Höhenmeter kamen sie recht gut voran. Zwar regnete es
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