Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
taucht in die Klamm ein.
Schon nach ein paar Hundert
Metern steht er vor der kaputten Brücke, die lose in die Tiefe hängt. Doch da
ist noch etwas, auf der vis-a-vis-Seite der Brücke, am Felsen. Etwas
Eingeritztes.
Dort steht das Wort „ Hilfe“ .
Und dann sieht er diese am Boden kauernde Gestalt!
25
Kathi dämmert in ihrem Bett
dahin. Die Tabletten von Dr. Zöchling machen sie müde. Aber ihr ist es recht
so, denn sie hat sich an diesen Dämmerzustand bereits gewöhnt. Am liebsten
liegt sie auf dem Rücken, die Decke bis zum Kinn gezogen. Auch den MP3-Player
mag sie nicht mehr hören. Die Stille tut ihr gut. Nur der Wind am Fenster und
das Ticken der Uhr:
Tick, tick, tick ...
Und das möchte sie jetzt ein
paar Wochen so haben! Kathi hat Mama gebeten, sie möge die Vorhänge zuziehen,
weil sie´s lieber dunkel hat. Aber das hat Mama nicht erlaubt, weil sie meint,
Kathi werde dadurch melancholisch . Kathi aber weiß gar nicht, was
melancholisch ist. Sie weiß nur, dass sie ihre Ruhe haben will. Nun sieht sie
alles wie durch ein Fenster aus Milchglas, und sie hört alles wie durch eine
Schicht aus Zuckerwatte. Das machen die Tabletten. Und das ist gut so.
Sie weiß, dass gerade irgendetwas
mit der Hagazussa passiert. Mama und Papa flüsterten nur darüber, aber Kathi
ist ja nicht taub. Natürlich hat sie gehört, dass der Wohnwagen der Hexe
angezündet worden ist, und dass die Hexe geflüchtet ist. Sie ist enttäusch.
Hexen dürfen nicht davonlaufen! Wozu haben die denn ihre Zauberkräfte? Was
macht es für einen Sinn, haufenweise Zaubersprüche und magische Tränke zu
kennen, wenn sie dann nicht helfen? Kathi will niemals so eine hilflose Hexe
sein. Mit Else hätte sie ihre eigenen Sprüche und Tränke erfunden.
Na ja, sie weiß schon, dass
nicht alles mit Zauberei geht, sonst hätte es früher auch keine Hexenprozesse
gegeben, von denen sie erst vor kurzem in der Schule gelernt haben. Aber wozu
dann dies alles? Ist das nur ein Spiel für Erwachsene? Und was wollen die
Dirnitzer von der Hagazussa?
Na, ist ja egal ...
Kathi dämmert dahin. Am
liebsten würde sie aufstehen und diesen dummen Vorhang zuziehen, denn mal
scheint die Sonne, mal ist es dunkel, und das stört sie ein bisschen
Was mit Else wohl gerade
geschieht? Ob die Würmer von ihr fressen? Ziemlich eklige Vorstellung. Aber man
spürt ja dann nichts mehr. Man liegt nur so da, wie gerade Kathi. Sie schließt
die Augen und hält die Luft an:
So!
Ja, so muss es sein, nur hört
und sieht man ja nichts mehr, und man spürt auch nichts. Wie fühlt sich das
wohl an? Noch einmal hält Kathi die Luft an. Diesmal unter der Decke, damit es
ganz finster ist, und mit Kügelchen aus Papiertaschentüchern in den Ohren:
So!
Oder noch ärger? Oder
verschwindet man ganz? Wie geht das? Das geht doch gar nicht! Nur der Körper
verschwindet mit der Zeit, nach Monaten vielleicht oder nach Jahren.
Sie hält die Luft an.
Diesmal so lange, bis sie nicht
mehr kann. Mit einem schrillen Ton saugt sich die Luft in sie hinein, ganz
automatisch, sie kann sich dabei wie von oben zusehen. Aber so fühlt man sich
bestimmt nicht, wenn man tot ist. So fühlt man sich vielleicht, wenn man gerade
erstickt. Zum Schluss war es echt eklig, da krampft sich schon der Bauch
zusammen und das Gesicht fühlt sich an, als sei es kurz vor dem Zerplatzen. Und
es macht auch müde.
Kathi nimmt wieder ihre
Lieblingsposition ein und dämmert weiter.
Oder ist das wie im Schlaf?
Also nicht während man träumt oder so, aber dazwischen. Wo ist man denn, wenn
man schläft und nicht träumt? Sie schließt die Augen, versucht es sich
vorzustellen.
Voriges Jahr war sie sogar kurz
einmal ohnmächtig, als es so heiß war im Sommer und sie nach einer Verkühlung
beim Schulturnen zusammenkippte. Da war ihr so schlecht und dann wurde sie
unruhig und auf einmal wusste sie nicht mehr, ob sie das, was sie zur Lehrerin
sagte träumte, oder ob sie es wirklich sagte:
„Frau Lehrerin, mir ist so ...“
Aber gleich darauf lag sie auf
einer Turnmatte und schluchzte und es kam ihr irgendwie vor, als tauche sie vom
Grund eines Sees ganz langsam wieder hoch bis an die Oberfläche. Doch sie
wollte schneller hochtauchen, sie bekam Angst, wollte nicht dort unten bleiben,
weil sie dort ersticken und sterben würde, sie wollte einfach wieder aufstehen
und das alles vergessen, und dann weinte sie und die Frau Lehrerin strich ihr
das Haar aus dem Gesicht und tröstete sie und auf einmal wurde ihr wieder
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