Die Frequenz: Thriller (German Edition)
verschlang. Die Minuten schrumpften zu Sekunden, als die Flut ihrer Vereinigung stieg und zurückwich wie das Meer unter dem Mond. Das Tempo steigerte sich, bis sie eine Welt erreichten, die sie beide noch nicht kannten, während Woge auf Woge der Lust durch ihre Körper brandete.
Es war, als ob jedes Quäntchen Leidenschaft, das Wilson je empfunden hatte, sich zu diesem Moment verdichtete. Teils lag es an der überraschenden Art ihrer Verbindung, teils daran, dass er in den letzten paar Tagen dem Tod ein paarmal knapp entkommen war. Seine Gefühle für Helena hatten sich in einem Maße intensiviert, das ihn erschreckte. Schwer atmend legte er sich neben sie und hielt sie fest.
Plötzlich fühlte er sich entblößt und wollte sie seine Gefühle nicht merken lassen. Doch er konnte nicht ahnen, dass sie in diesem Moment mit seinen Augen sah. Seine Tränen waren kein Geheimnis für sie.
Die Vision verblasste, als die Sonne durch die Wolken brach und auf den Bug des königlichen Bootes schien. Das Unwetter war vorbei, und sie hatten es nicht einmal bemerkt.
»Vielleicht hat dein T-Shirt doch nicht gelogen«, meinte Helena leise.
Wilson konnte sich kein Lachen abringen, und so betrachtete er nur Helenas Hand auf seiner Haut. Er wollte diesen Moment für immer in Erinnerung behalten.
Dann verdichtete sich die Erkenntnis in ihm, dass er eine Grenze überschritten hatte und dass es ein schwerer Fehler gewesen war, mit ihr zu schlafen – ein Fehler, den er zutiefst bereute.
»Warum bist du hier?«, fragte Helena, als reagierte sie auf seine Gedanken. »Du musst es mir sagen.«
Er küsste sie sanft auf die Stirn und versuchte verzweifelt, den Augenblick festzuhalten, doch er hatte sich bereits zurückgezogen.
»Hast du dich je gefragt, warum man das Gefühl hat, dass jedes Jahr schneller vorübergeht?«, fragte er. »Warum die Zeit schneller vergeht, je älter man wird?«
»Oh ja.«
»Es hängt mit der Schumann-Frequenz zusammen. Die Zeit läuft schneller, als es der Fall sein sollte, auch in diesem Augenblick. Und ich wurde geschickt, um sie abzubremsen.«
»Die Pyramiden können die Zeit abbremsen?«
»Sie wurden gebaut, um den Fluss der Zeit im Universum zu regulieren. Sie können die Zeit beschleunigen oder bremsen.« Wilson erzählte ihr vom Buch Jesaja und den Bauplänen für die Zeitmaschine. Er versuchte, ihr das alles in ein paar Minuten nahezubringen, redete über das Mercury-Team, die Qumran-Bruderschaft und Vespasians Einmarsch in Judäa. Nach allem, was sie zusammen durchgemacht hatten, hatte sie das Recht zu erfahren, warum er gekommen war. Nur die Existenz der Kupferrolle verschwieg er ihr – der Schlüssel zum Verständnis der geheimen Algorithmen. Diese Information war zu kostbar und zu gefährlich, um sie weiterzugeben.
»Darum ist die Welt so voller Gewalt«, sagte er. »Wegen der Schumann-Frequenz. Wenn ihr Wert zu hoch ist, so wie jetzt, kann sie die Leute verrückt machen.«
Helena schoss das Bild ihrer Mutter durch den Kopf. Und sie konnte Wilson nur beipflichten. Die Welt war extrem gewalttätig.
»Und was kommt als Nächstes?«, fragte sie.
»Du meinst das dritte Portal? Es ist in England, an einem alten Druidenplatz bei Salisbury.«
»Stonehenge?«
»Ja.«
»Ich habe mich immer gefragt, wozu das Monument gebaut worden ist.« Zum ersten Mal, seit Helenas Visionen begonnen hatten, ergab alles einen Sinn. Sie war wie betäubt von dem, was sie erfahren hatte.
»Die Maschine meines Vaters steht auf dem Kairoer Flughafen«, bot sie an.
»Wenn ich das dritte Portal öffne«, sagte Wilson in nüchternem Tonfall, »werde ich in meine Zeit zurücktransportiert … in die Zukunft. Dein Leben wird normal weitergehen.«
Wilson versuchte bereits, seine Gefühle für Helena zu vergraben. Das wundervolle Zwischenspiel auf der Cheops-Barke war vorbei. Von nun an war kein Platz mehr für verwirrende Gefühle.
Er machte sich von Helena los und zog sich an. »Komm«, sagte er, »wir müssen gehen.«
41.
Kalifornien, Amerikanischer Kontinent
Mercury Building, Untergeschoss A5, Labor
23. Mai 2081
Ortszeit: 11.44 Uhr
Transporttest
Wilson war nicht bewusst, dass es auf den Tag genau ein Jahr her war, seit er mit Professor Author seine Schicksalsmünze geworfen hatte, als er Barton Ingerson durch einen nackten weißen Gang zum Mercury-Labor folgte. Er trug schwarze Hosen und eine schwarze dreiviertellange Jacke und fühlte sich vollkommen unsicher. Die Sicherheitstür öffnete sich, und sie gingen
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