Die Frequenz: Thriller (German Edition)
kantig, die Augen blau, typische Merkmale der Capriartys. Sein schwarzer Brioni-Anzug war maßgeschneidert, seine italienischen Schuhe neu und glänzend.
Lawrence war kontrollsüchtig, wie er selbst zugab, sowohl im privaten wie im geschäftlichen Leben, und es wurde täglich schlimmer. Er war ein Selfmademan, und seine Grundstückserschließungsfirma umspannte den gesamten Globus. Er hatte Büros in jeder bedeutenden Metropole – siebenunddreißig, um genau zu sein. Lawrence stammte aus einer texanischen Familie der Mittelschicht; ein einfacher Junge aus Houston, der es zu etwas gebracht hatte, so pflegte er stolz zu sagen. Der Schlüssel zu seinem Erfolg war, dass er keine Hindernisse zuließ, und er setzte alle Mittel ein, legale und andere, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Das musste sein, um in diesem Geschäft Erfolg zu haben. Lawrence war ein Produkt seiner Branche – betrügerisch, aggressiv und habgierig. Doch wenn es um Helena ging, war er ein Mustervater, und er sorgte sich um sein einziges Kind, wie der ehrlichste Mann es täte. Vielleicht sogar mehr.
»Was machst du hier, Dad?«, fragte Helena.
Lawrence zeigte mit dem Finger auf sie. »Wir haben dich vor einer Stunde angerufen, junge Dame! Ich habe Leute rausgeschickt, die dich suchen!« Er ließ ihr keine Zeit, etwas zu erwidern. »Julia und ich waren krank vor Sorge! Das geht so nicht!«
»Ich kann auf mich selbst aufpassen«, meinte Helena abweisend.
»Himmel, Helena, bist du verrückt geworden?«
»Diese Bemerkung ist nicht hilfreich, Dad.«
»Hilfreich wäre es, wenn du zur Abwechslung mal tun würdest, worum ich dich bitte!«
»Ich sagte schon: Ich kann selbst auf mich aufpassen!« Damit schlug sie den Weg zum Schlafzimmer ein.
Lawrence trat ihr in den Weg. »Du gehst nirgendwohin …«
»Komm mir nicht mit einer Strafpredigt, Dad. Ich bin nicht in der Stimmung.«
»Du wirst tun, was ich dir sage!«
Sie zog die Pistole aus der Jacke und hielt sie hoch. »Du hast mir befohlen, eine Waffe mitzunehmen … und das tue ich!« Ihre Emotionalität war seiner mindestens ebenbürtig. »Du sagst mir ständig, was ich tun soll. Das ist nicht hilfreich! ›Sei vorsichtiger‹ und ›Tu dies, tu jenes nicht‹.« Sie wedelte mit der Pistole.
Als Lawrence seiner Tochter zusah, wurde ihm das Herz schwer. Sie war ihrer Mutter in vieler Hinsicht sehr ähnlich. Und seltsamerweise liebte er Helenas Sturheit – sie machte ihn bloß krank vor Sorge. Doch ihm war die Sturheit lieber, als wenn sie sich einschüchtern ließe. Menschen, die nicht stark waren, kamen unter die Räder. Lawrence gab sich Mühe, ruhig zu werden, und senkte die Stimme.
»Ich bin nur froh, dass du wohlauf bist«, sagte er. »Und ich freue mich, dass du die Pistole trägst.« Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er ihr Tag und Nacht einen Leibwächter zugeteilt, doch Helena wollte nichts davon hören. Er würde damit zufrieden sein müssen, dass sie bewaffnet war und Selbstverteidigung trainiert hatte. »Ich weiß, wie viel du durchgemacht hast«, sagte Lawrence milde. »Aber du musst vorsichtiger sein.« Er nahm seine Tochter bei der Hand und führte sie zum Sofa. »Helena, ich weiß, ich bin kein Arzt, aber wir müssen über diese Träume sprechen, die du neuerdings hast.«
Helena schoss Julia einen Blick zu. »Was hast du ihm erzählt?«, schäumte sie.
»Sie hat das Richtige getan«, ging Lawrence dazwischen.
»Du hast es ihm erzählt!«, rief Helena aus. »Wie konntest du mich so verraten!«
»Ich habe mir Sorgen gemacht!«, erwiderte Julia und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich hatte Panik! Du bist einfach weggelaufen!«
»Julia hat das Richtige getan«, sagte Lawrence noch einmal.
»Du hättest es ihm nicht erzählen müssen!«, schrie Helena.
»Wenn du wegrennst, ohne etwas zu sagen, dann rufe ich ihn an«, bekräftigte Julia. »Dann berichte ich ihm! Si! «
Lawrence ging zwischen sie. »Es reicht!«, brüllte er.
Eine unangenehme Stille setzte ein.
»Julia, bring mir einen Scotch mit Eis«, sagte Lawrence. »Noch besser, bring drei Gläser, und wir trinken etwas zusammen.« Das war seine Methode, Julia für einen Moment aus dem Zimmer zu schicken.
»Sie hätte es dir nicht sagen sollen!«, stritt Helena weiter.
»Ich rufe ihn an!«, fauchte Julia aufsässig. »Si!«
Lawrence wies mit der einen Hand aufs Sofa, mit der anderen zur Tür. »Helena, setz dich hin! Julia, hol die Drinks! Euch beiden beim Streiten zuzuhören, kann ich im Augenblick
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