Die Frequenz: Thriller (German Edition)
noch eine Kernspintomographie gemacht wurde. Der arme Kerl ist unterwegs zu Bewusstsein gekommen. Ich habe versucht, seinen Namen zu erfahren, aber er schien nicht ganz bei sich zu sein, darum habe ich ihm noch eine Dosis Morphium gegeben – 15 ml.«
Der Arzt klemmte das Formular an sein Notepad. »Ich hoffe, das genügt, damit er bewusstlos bleibt, denn bei diesem Andrang wird er lange warten müssen, bis wir ihn drannehmen können.«
»Daran können wir nichts ändern«, sagte der Sanitäter wegwerfend.
Im Hintergrund rief das Kind weinend nach seiner Mutter.
Der Arzt winkte, um die Aufmerksamkeit einer Krankenschwester zu erlangen; dann zeigte er auf Wilsons Rollbahre. »Bringen Sie den Patienten …«, er blickte auf seine Warteliste und teilte ihm die nächste Nummer zu, »den Patienten 456 in einen Warteraum auf Stock eins. Er wird warten müssen, bis wir den Rückstau abgearbeitet haben.« Der Arzt blickte auf das Gewühl in der Notaufnahme. »Könnte sich jemand um den weinenden Jungen kümmern?«, rief er. »Er macht mich noch wahnsinnig!«
Der Sanitäter schloss die Hecktüren und sprang auf den Beifahrersitz. »Was für ein Murks«, sagte er. »Wir haben wieder den falschen Patienten bekommen.« Die beiden wechselten einen vielsagenden Blick. »Bloß weg hier, bevor jemand uns zur Rede stellt.«
8.
Houston, Texas
Sam Houston Parkway
25. November 2012
Ortszeit: 20.17 Uhr
Unternehmen Jesaja – erster Tag
Zwei grellweiße Xenon-Scheinwerfer stachen in die Dunkelheit. Mit brüllendem Motor und kreischenden Reifen raste der Mercedes um die Ecke und beschleunigte auf der leeren Schnellstraße. Es waren keine anderen Fahrzeuge unterwegs; alles wirkte so still wie auf einem Foto. Helena war benebelt. Straßenlampen leuchteten in Abständen vor der Schwärze des Nachthimmels, und der Wind pfiff an den fest geschlossenen Fenstern vorbei.
Die Umrisse ihres Wohnhauses tauchten vor ihr auf, als sie herunterschaltete und auf einer breiten Zufahrtsrampe hielt. Das gewellte Stahltor schimmerte im Scheinwerferlicht. Helena drückte auf die Fernbedienung, klappte ihre Sonnenblende herunter und besah sich im Spiegel. Ihre Augen waren gerötet; sie sah erschöpft aus. Während sie in ihren Anblick versunken war, merkte sie nicht, wie die Zeit verging. Das Garagentor war längst hochgefahren und begann soeben, sich wieder zu schließen. Sie trat aufs Gas, der Motor heulte auf, und der Mercedes jagte mit rauchenden Reifen die Rampe hinunter, um gerade noch unter der Torkante durchzuflitzen.
Der heisere Klang des High-Tech-V-8 wurde lauter, als sie die verschiedenen Rampen hinunterfuhr, an den edelsten Wagen vorbei, die man für Geld kaufen konnte. Ein freier Parkplatz tauchte auf – »Capriarty« war in gelben Buchstaben auf den Beton schabloniert. Helena bog in dem exzentrischen Bemühen, ihre Reaktionsschnelligkeit zu testen, mit aberwitziger Geschwindigkeit auf den Platz ein. Alle vier Räder blockierten gleichzeitig, das ABS stotterte, und der Wagen kam zwei Zentimeter vor der Wand zum Stehen.
In einer Pförtnerkabine neben den Aufzügen saß ein alter Mann hinter einer kugelsicheren Scheibe. Seine Uniform war frisch gestärkt. Auf den Überwachungsbildschirmen hatte er Helena vorbeijagen sehen und er hätte ihr gern gesagt, dass ihr Fahrstil gefährlich sei, doch er traute sich nicht. Stattdessen stand er auf und grüßte zackig. Helena beachtete ihn nicht, was ungewöhnlich war, doch der Mann dachte sich nichts dabei.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und Helena kehrte in die vertraute Umgebung ihrer Wohnung zurück. Bestürzt sah sie zwei Leibwächter im Marmorfoyer stehen. Ihre Jacketts beulten sich über der Pistole. Das bedeutete, dass ihr Vater gekommen war. Als sie seine Stimme aus dem Wohnzimmer hörte, überlegte sie, ob sie das Gespräch belauschen sollte. Normalerweise hätte sie es getan, doch die Leibwächter würden sie dabei beobachten. Mit schnellen Schritten ging sie an ihnen vorbei und murmelte gedämpft einen Gruß. Die Männer sollten merken, dass es ihr nicht gut ging.
Helenas Erscheinen wurde mit überraschtem Luftschnappen aufgenommen. Julia und Lawrence sprangen aus dem Sessel auf. Im Kamin brannte ein Holzscheit; man hörte leise Musik. Draußen hinter den hohen Erkerfenstern funkelten die Lichter von Houston.
Lawrence Capriarty war ein alter Mann mit dichtem braunem Haar, das an den Schläfen grau wurde. Er trug es ziemlich lang und nach einer Seite gescheitelt. Seine Nase war
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