Die Frequenz: Thriller (German Edition)
vorderen Reihe seinen Papierstapel hin. »Das ist der Flüchtige, den wir suchen.« Es war ein Phantombild eines dunkelhaarigen Mannes Anfang dreißig mit ebenmäßigen Zügen und blauen Augen – ein exaktes Porträt Wilson Dowlings.
Commander Visblat schritt weiter auf und ab, während die Blätter verteilt wurden.
»Jeder nimmt sich eine Kopie«, wiederholte er. »Prägen Sie sich das Gesicht ein, meine Damen und Herren.« Im Vorbeigehen fasste er jeden einzelnen Polizisten ins Auge, und sein durchdringender Blick sicherte ihm die volle Aufmerksamkeit. »Wir haben eine eindeutige Beschreibung des Mannes. Also seien wir uns im Klaren über die Situation. Unter uns – wenn einer von Ihnen mich noch mal enttäuscht, ist er ein für alle Mal aus der Ermittlungsgruppe draußen. Haben Sie mich verstanden?« Er wartete einen Moment, um seine Worte wirken zu lassen. »Und für die, die ihn schnappen, gibt es Auszeichnungen, die Sie sich nicht einmal erträumen.«
Er schaute über die Köpfe und verschränkte die schwitzenden Hände auf dem Rücken. »Ich werde Ihnen jetzt alles über die bemerkenswerte Abfolge der Ereignisse von heute Morgen berichten. Der Flüchtige hat um 6.57 Uhr auf dem Dach eine Bombe gezündet. Der Kollege, der dieses Gebäude bewachen sollte, saß gerade auf dem Klo.« Es waren sieben Gebäude im Post-Oak-Viertel, die er rund um die Uhr hatte bewachen lassen.
»Ist das nicht grandios? Der Mann – sein Name soll ungenannt bleiben – ging kacken und las dabei die Zeitung. Grandios! Währenddessen begibt sich der Flüchtige in den vierundzwanzigsten Stock und schlägt grausam zu. Er bringt beinahe einen Sicherheitsmann um, dann steigt er lässig in den Fahrstuhl zum ersten Stock und läuft die Treppe zum Erdgeschoss runter, wo er durch den Vordereingang nach draußen marschiert.«
Visblat hob die Hände wie ein Prediger.
»Dann verschwindet er! Können Sie sich vorstellen, was ich davon halte? Vierzehnhundert Einsatzleute über die Innenstadt verteilt, und wir sind blind.«
Ein paar Augenblicke war es still.
»Aber ich habe auch eine gute Nachricht«, sagte er sarkastisch. »Zehn Stunden nach der Tat haben wir das endlich ermittelt. Was für ein sagenhaftes Team von Idioten Sie sind!« Er tat sein Bestes, um sich zu beruhigen, ehe er fortfuhr: »Einer unserer Männer, Officer Tolle, hat kurz nach halb acht zu Fuß die Verfolgung des Flüchtigen aufgenommen. Ja, heute Morgen! Er hatte keine Verstärkung und hat niemandem gesagt, was er tut. Er hielt sich für einen Helden.«
Visblat schnalzte mit der Zunge. »Meine Damen und Herren, Officer Tolle wurde bei einem Autounfall um 7.36 Uhr getötet. Er versuchte die I-610 zu überqueren, zu Fuß, um den Flüchtigen zu verfolgen, und kam bei einem Auffahrunfall um, an dem mehr als zehn Fahrzeuge beteiligt waren. Es scheint, dass der Flüchtige ebenfalls verletzt wurde.«
Visblat wischte sich den Speichel aus den Mundwinkeln.
»Wir nehmen an, dass er ins Krankenhaus gebracht wurde. Das Problem ist nur – wir wissen nicht, in welches. Das ist eine Komödie der Irrungen, aber sie ist nicht zum Lachen ! Wegen eines Verwaltungsfehlers – jemand hat Formulare durcheinandergebracht, wurde mir gesagt – wurde er von einem Krankenhaus ins nächste gefahren, weil keine Personenangaben über ihn existierten. Bisher haben wir drei Notaufnahmen durchgekämmt, ohne ihn zu finden. Bis wir ihn aufspüren, habe ich Befehl erteilt, sämtliche Informationen über den Auffahrunfall vertraulich zu behandeln. Niemand lässt hier irgendetwas durchsickern. Ich will nicht die Presse auf den Fersen haben. Ist das klar?«
Detective John Olsen stand hinten im Raum. Das ist genau der Unfall, überlegte er, nach dem Lawrence Capriarty gefragt hat. Jetzt ist klar, warum im Computer nichts darüber zu finden war.
Commander Visblat schritt in dem Besprechungsraum auf und ab wie ein gefangener Tiger. Seine Haare waren zerzaust, seine Bewegungen ungestüm. Und seine seltsamen Augen … Olsen schauderte, wenn er nur an sie dachte. Er beschloss, Lawrences Anruf für sich zu behalten. Der konnte sowieso nichts mit der Verfolgung zu tun haben. Und für ihn wäre zweifellos mehr zu gewinnen, wenn er Lawrence Capriarty schützte, als wenn er ihn hineinzöge.
»Wie kann ich Ihnen klarmachen, dass dieser Wahnsinnige gefasst werden muss? Es ist mir egal, was Sie dafür tun müssen«, sagte Visblat eindringlich. »Ich will, dass Sie ihn schnappen! Lebend! Haben Sie
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