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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Mein Gott, lass mich doch in Ruhe damit!
    – Aber wieso? Wenn ich nicht weiß, was es ist, dann –
    – Dann stirbst du eben blöd, ist das so eine Tragödie?
    – Wenn ich dafür erst sterben muss, ja.
    – Es wäre dir ja sowieso egal, wie alles, was mit mir zu tun hat.
    – Also, das ist jetzt wirklich nicht fair. Also –
    – Was also? Scheiß auf dein Also! Es gibt keine
Alsos
mehr, die hast du bereits alle bei unserem letzten Streit aufgebraucht. Die rettende Keksdose mit den
Alsos
für den Notfall ist leer!
    – Unser letzter Streit? Wann war das? Meinst du –
    – Nein, meine ich nicht. Das haben wir besprochen. Geklärt. Persönlicher Freiraum ist nie ein Thema gewesen, das weißt du genauso gut wie ich.
    – Also was war es dann?
    – Oh, du willst dich
daran
nicht erinnern? An deiner Stelle wäre ich vorsichtiger!
    – Wieso ich? Sei du lieber vorsichtiger, sonst fährst du dem noch hinten rein!
    – Warum muss der auch so langsam fahren!
    – Pass wenigstens auf, wo du hinfährst … die Straße …
    – Ah, das ist es also, worauf wir fahren! Endlich sagt mir das einer! Eine
Straße
also …
tender irgendwas …
    – Na ja, bei
den
Schlaglöchern –
    – Lenk nicht vom Thema ab.
    – Wir haben doch gar kein Thema. Dazu müsstest du mir zuerst verraten, worüber wir überhaupt reden.
    – Ist es jetzt plötzlich
meine
Schuld, dass du dich nicht erinnern kannst, was vor zehn Minuten gewesen ist?
    – Das hab ich nicht gesagt. Aber wie soll ich, wenn ich schon bereit bin, dazuzulernen, wenn du –
    – Dazulernen, da
zu
lernen? Also, ich bitte dich, aber wir sind hier wirklich nicht in der Schule.
    – Ich offenbar schon.
    – Ja, tolle Antwort.
    – He, ich bring alten Leuten bei, wie ihre Handys funktionieren. Zumindest
hab
ich das getan.
    – Und schon fühlst du dich als Lehrer! Großartig.
    – Ach, lass mich doch in Ruhe.
    – Als
Lehrer
sehen sich auch immer nur die, die irgendwann in ihrer Entwicklung stehen geblieben sind.
    – Lass mich in Ruhe, habe ich gesagt.
    – Und versuchen dann, sich irgendwie wieder salonfähig –
    – Schon gut, zieh ruhig über diesen Berufsstand her. Geht mich ja nichts an.
    –
Berufsstand
!
    – Ja, so was gibt’s tatsächlich, auch wenn’s dir vielleicht schwer fällt, das zu glauben. Es gibt tatsächlich Leute, die Berufe haben. So wie ich zum Beispiel. Bis vor einer Woche.
    – Toll, ich bin beeindruckt. Und, wieso willst du dann wieder studieren, wenn dich dieser Berufsstand nichts mehr angeht?
    – Ich habe nicht gesagt, dass er mich nichts
mehr
angeht. Ich habe gesagt, dass er mich
noch
nichts angeht.
    – Hast du nicht.
    – Doch. Und vielleicht ist das der wichtigste Beruf überhaupt, wenn es darum geht, wie man die Gesellschaft am Leben erhält.
    – Als wäre das dein persönliches Anliegen!
    – Und das war schon im neunzehnten Jahrhundert so.
    – Und, was beweist das? Hat es sich etwa durchgesetzt, dein großartiges neunzehntes Jahrhundert? Wo ist es jetzt?
    – Vorbei natürlich.
    – Eben.
    – Na, dann gratuliere. Der Punkt geht an dich.
    – Was macht dieser Idiot da vorne eigentlich? Dauernd fährt er an den Straßenrand. Was soll das?
    – Ist vielleicht ein nervöser Fahrer.
    – Nein, nein –
ich
bin eine nervöse Fahrerin, ich erkenne einen nervösen Fahrer, wenn ich ihn sehe. Der sucht irgendwas.
    – Vielleicht einen Platz zum Halten?
    – Hier?
    – Ist vielleicht ein Waldfreak.
    – Ja, genau, bei dir ist jeder, der in den Wald geht, gleich ein Freak.
    – Natürlich, ich bin ein desillusionierter, demaskierter, desintegrierter ehemaliger Altenpfleger, der nebenbei –
    – Ja, der nebenbei?
    – Seine Freundin dazu missbraucht –
    – Endlich redest du Klartext, nur weiter.
    – Der seine Freundin gelegentlich dazu missbraucht, ihn irgendwohin zu fahren, weil er immer noch keinen Führerschein hat.
    – Ein Mann ohne Führerschein!
    – Was so viel heißt wie
ohne Existenzberechtigung
. Ein würdeloser Zustand.
    – Das einzig Würdelose daran ist, dass du deinen großartigenPflegerberufsstand mit Händen und Füßen verteidigst, aber jede Kritik an deiner Person einfach
seelenlos
hinnimmst.
    – Seelenlos?
    – Kritiklos. Achselzuckend. Du hältst die andere Backe hin. Seelenlos eben.
    – Übertreibst du jetzt nicht ein bisschen?
    – Ja, sicher, bestimmt übertreibe ich. Das muss das Lenkrad sein. Eine Frau am Steuer, so viel Verantwortung auf einmal, du weißt ja.
    – Ich will gar nicht wissen, was das wieder heißen soll –

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