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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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übersetzbar in dem Sinn wie zum Beispiel
cat
oder
house
, weil verschiedene Dinge im Englischen
tender
sein können, die im Deutschen nie als
zärtlich
beschrieben werden würden.
    – Zum Beispiel?
    – Eine Straße.
    – Unsinn! Es heißt doch gar nicht
zärtlich
, sondern
sanft
. Eine Straße kann sehr wohl sanft sein.
    – Aber die Art, wie … wenn es zum Beispiel eine hügelige Straße ist und … das Auto federt diese kleinen Hügel ab beim Fahren, diese niedrigen Geschwindigkeitshügel, die man in der Magengrube spürt, dann kann man das
tender
nennen, auch im Sinne von zärtlich … Ach, was weiß ich …
the tender
irgendwas
of the car …
oder
of the street …
    – Na ja, trifft auf diese Straße jedenfalls nicht zu.
    – Kommt ganz auf den Fahrer an.
    – Die Fahrerin.
    – Okay, Fahrerin.
    –
Chauffeuse
.
    – Ist ja gut.
    – Wovon reden wir eigentlich?
    – Weiß ich doch nicht.
    – Geh ich dir auf die Nerven?
    – Warum, was ist denn?
    – Ich frag ja nur. Geh ich dir auf die Nerven? Wenn ja, kann ich auch einfach stehen bleiben.
    – Wieso, was hab ich denn gesagt? Du hast davon angefangen.
    – Ich fahr dich immer überall hin. Ist dir das schon einmal aufgefallen?
    – Ja, stimmt, du lässt immer alles stehen und liegen.
    – Nur damit du überall hinkommst.
    – Ja. Sag ich ja. Ist mir aufgefallen.
    – Dann ist ja gut …
the tender irgendwas of the car …
so wie jetzt?
    – Nein, das war eher unangenehm.
    – Was? Wie ich fahre?
    – Nein, aber mir hebt’s immer die Eingeweide, wenn du –
    – Sag’s nur, ich weiß schon, was du sagen willst.
    – Ach, meine Güte.
    – Was? Murmel nicht irgendwas in deinen Dreitagebart. Das Auto ist zu klein für solche Versteckspiele.
    – Wer spielt denn Versteckspiele? Mein Gott, müssen wir uns unbedingt streiten?
    – Wir haben nicht gestritten. Ich habe es nur ge
wagt
– und ich bitte um Entschuldigung –, ich habe es gewagt zu bezweifeln, dass eine Straße oder das Federn oder was auch immer
zärtlich
sein kann.
    – Aber genau darum geht es ja! Kann es auch nicht!
    – Werd nur laut.
    – Jetzt hör doch auf, ich bin ja deiner Meinung! Kann sie eben nicht. Aber im Englischen –
    – Oh, ent
schuld
ige bitte, dass ich nicht so per
fekt
Englisch kann wie du! Aber dafür fahre ich ganz gut Auto, oder?
    – Was ist denn los?
    – Gar nichts.
    – Du bist heute so –
    – Gar nichts ist los. Wir fahren jetzt einfach schweigend weiter durch die Landschaft.
    – Was hab ich denn falsch gemacht? Wenn du mir das einfach sagen könntest, wären wir schon einen Schritt weiter.
    – Einfach schweigend nebeneinander herfahren, du und deine treue Chauffeuse … jaja. Ein Mann und seine Chauffeuse kämpfen gegen das Unrecht.
    – Haha, sehr witzig.
    – Ein Mann und seine Chauffeuse. Ohne lästige Kinder auf dem Rücksitz. Was ist so komisch?
    – Was? Ich hab nur –
    – Du willst keine Kinder, weiß ich. Aber ist das ein Grund zu lachen?
    – Ich hab doch nur über den Witz gelacht!
    – Oh, für Witze bin ich also wieder gut genug? Zum Autofahren und Witze reißen. Sicher, hab schon verstanden.
    – Nein, ich glaub eher, du hast da was total falsch verstanden.
    – Dann erklär’s mir, wir haben ja Zeit.
    – Mir wäre ehrlich gesagt lieber, du würdest mir sagen, was dich stört.
    – Ich hab dir schon gesagt, was mich stört.
    – Ehrlich? Wann?
    – Noch deutlicher geht’s nicht.
    – Wann denn?
    – Grad eben.
    – Was? Im Ernst? Grad eben? Wann?
    – Du wiederholst dieselben Wörter, immer und immer wieder, bis sie einen Sinn ergeben, oder?
    – Jetzt warte mal … Grad eben? Ich komm nicht drauf. Sag’s mir noch einmal.
    – Nein, du hörst mir ja doch nicht zu.
    – Stimmt doch gar nicht, ich war mit den Gedanken nur irgendwo –
    – Bestimmt.
    – Was bestimmt?
    – Bestimmt ist das die Lösung … ist das ein verdammter Idiot …
    – Was?
    – Ich meine den Eierkopf da vor uns.
    – Fährst du wegen dem so langsam?
    – Was glaubst du, warum ich so auf ihm draufklebe? Der fährt hier mitten in der Einöde fünfzig. Und hat natürlich einen Hut auf. Dann ist ja alles klar.
    – Und? Sagst du mir jetzt, was ich verbrochen habe, dass du so gereizt auf alles reagieren musst?
    – Ah! Ich hab’s gewusst! Immer drehst du alles um, immer in deine Richtung!
    – Was? Wieso umdrehen, ich will doch bloß wissen, was ich falsch gemacht habe. Mir geht’s nicht darum, Recht zu haben.
    – Nein,
über
haupt nicht.
    – Nein, ganz genau, aber –
    –

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