Die Frequenzen
in der Nähe des Parks aufgenommen hat. Das Bild ist ziemlich verwackelt, weil seine Hände ängstlich waren, wie immer, trotzdem kann man alles gut erkennen. Er hat die Aufnahme da drüben, gleich hinter dem Hochhaus, gemacht; jetzt meidet er die Stelle.
Der kurze Film zeigt, wie eine Frau mit einer langen Metallstange niedergeschlagen wird. Ihr Hund läuft davon, sein Kopf steckt in einem Trichter. Die Frau taumelt gegen ein Verkehrsschild und biegt es ein wenig zur Seite, bekommt dann einen letzten, vernichtenden Schlag auf den Kopf und fällt hin.
Woman beated to death with metal steel
.
Gerald überlegt, ob der Titel, unter dem er den Film abgespeichert hat, grammatikalisch korrekt ist.
Beated? Beat. Boat? Beaten?
Er nimmt sich vor, seinen Englischlehrer zu fragen, bevor er den Film ins Netz stellt.
Man muss zugeben, der Ton ist wirklich schlecht, ein ohrenbetäubendes Rascheln seiner Kleider, und der Clip beginnt mit einer abstrakten Explosion von Pixeln, aberdas macht nichts, denn wenn der Film einmal läuft, kann Gerald seinen Blick nicht mehr abwenden. Er hat ihn bestimmt schon vierzig Mal abgespielt, trotzdem hat er das Gefühl, dass er noch längst nicht alles gesehen hat.
Allein
Aber jetzt war alles in sich zusammengestürzt, alle Zusammenhänge, alles kaputt und zerstört, jetzt war alles nur mehr Orientierungslosigkeit und viele, viele Signale, die danach verlangten, aufgenommen und eingeordnet zu werden. Blumen. Eine Hecke. Ein Regenschauer, kurz, aber heftig. Die Begleitmusik für eine Flucht.
Ein beständiges Klirren im Hintergrund, wie von herunterfallendem Metall, das sich im Kopf fortpflanzte, verbreiterte und wieder zusammenzog, sodass es nie zu fassen war.
Sirenengeheul.
Dann die schnell atmende Stille unterhalb des Autos, mehrere Stunden.
Keuchen, hecheln.
Die Unmöglichkeit, am eigenen Fell zu nagen.
Nackenfellsträubende Blitze. Und die Gespenster der Elektrizität zwischen den Zähnen. Lärm aus der Hölle. Fernes Klirren von Metall.
Nichts hasste die kleine, nasse Hündin mit dem rötlichen Fell mehr, als ausgeschlossen zu sein. Gott sei Dank war sie diesmal rechtzeitig davongerannt, bevor man sie wieder verlassen konnte. Früher hatte sie immer laut um Hilfe gebellt, wenn die Menschen in ihrer Gegenwart die Köpfe, die unerreichbar hoch oben, knapp unter der Zimmerdecke schwebten, zusammensteckten und leise miteinander redeten.
– Schschsch, beugte sich dann eines der Gesichter zu ihr herunter, spendete wohltuenden Augenkontakt und schwebte wieder nach oben.
Und die Bedeutung dieses einfachen Zischlautes warim Gegensatz zu den sonst eher unverständlichen Geräuschfeldern und Lautfolgen relativ einfach zu entschlüsseln:
Du bist da. Wir haben dich ja bemerkt, also bist du da
.
Es gab wenige Dinge, die sich so gut anfühlten wie diese Gewissheit, und es fiel ihr jedes Mal sehr schwer, das Gebell, das sie in solchen Momenten zum Dank für die erteilte Anerkennung anstimmen wollte, zurückzuhalten; aus irgendeinem Grund war es von der Gesellschaft der höheren Regionen nicht gern gehört.
Aber jetzt war alles eingestürzt, alle Zusammenhänge. Die vier Wände, die täglichen Rituale. Ein hässlicher schwarzer Metallstab war aufgeblitzt und hatte sie verjagt, sie hatte die Kontrolle über sich verloren und nun war sie allein. Allein unter einem Auto, für mehrere Stunden in Schach gehalten vom Regen, von den Bewegungen der Stadt, Menschenbeine pendelten vorbei. Ein männliches Paar Schuhe blieb stehen und Asche fiel auf den Asphalt.
Uljana atmete sie ein.
Allein: ein Reuegefühl von vier Pfoten auf kaltem Asphalt.
Der Schlaf hatte Walter eine Weile vor sich hergetrieben, wie ein Stock schwingendes Kind seinen über Gehsteigkanten und Feldwegränder davonspringenden Reifen. Aber dann hatte er den Anschluss verpasst, oder er war irgendwo falsch abgebogen, jedenfalls war er jetzt wieder hellwach, lag auf dem Rücken und starrte an die Zimmerdecke. Wenn er sich konzentrierte, konnte er sich vorstellen, wie er sich auf allen Vieren über die Decke bewegte, als wäre sie der Fußboden. Er kroch um dieschräg nach oben stehende Lampe, streckte seinen Kopf durch das Fenster in eine verkehrte Welt und stieß sich das Bein an der kniehohen Schwelle, die die Tür auf einmal hatte.
Sein Kopf lag so, dass sein Nacken von einem kleinen, wurstförmigen Polster abgeklemmt wurde. Das verursachte unangenehme Schwindelgefühle, aber was sollte er tun, wenigstens ging so ein bisschen was
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