Die Frequenzen
und steht mühsam auf
.
FELIX
sarkastisch
: Wieder der Fluss, oder?
LEITERIN
zu Walter
: Geht’s? Alles in Ordnung?
WALTER
der wieder steht und gleich die Hand seiner Nachbarin ergriffen hat
: Nicht alles, aber ich bin wieder aufrecht.
Zu Gabi, die ihn gestützt hat
: Danke. Du hast aber weiche Hände …
Gabi schaut ihn an
. Der Boden ist ein bisschen rutschig –
Gabi schaut ihn immer noch an
.
FELIX: Flüssig …
LEITERIN
schließt als erste wieder die Augen
: Also, dann noch ein letztes Mal. Die Augen geschlossen, und jeder versucht, den Rhythmus des anderen zu erspüren und sich vorzustellen, seine Bewegungen kämen von seinem Nachbarn. Das nennt man auch die Perpetuum-Mobile-Methode, und wenn sich dann diese spezielle Wellenbewegung eingestellt hat und wie von allein vor sich geht … so … dann stellt sich jeder vor –
Das fast unhörbare Geräusch einer reißenden Filmrolle
.
2. Szene. Die Beleuchtung ändert sich, da die Tür aufgerissen wird. Im Türrahmen steht, dampfend vom Nachglühen eines heißen Spätsommerabends, Alexander Kerfuchs, ein Fremder mit den wilden Märtyreraugen eines Verliebten. Mehrere Sekunden stummer Austausch von Blicken. Walterhat sich gerade zu seinen Schuhen hinabgebeugt und bindet die Schuhbänder neu. Da ihm in dieser Position das Blut in den Ohren rauscht, bemerkt er Alexanders Auftritt nicht
.
KERFUCHS: Oh, bitte vielmals um Entschuldigung, ich …
LEITERIN
die ihm, so peinlich ihr die Situation zu sein scheint, mit kaum zu unterdrückender Intensität in die Augen blickt und mit tiefen Atemzügen daraus zu trinken scheint
: Warte doch bitte unten, es dauert noch ein bisschen …
Ihre Brust hebt und senkt sich. Sie möchte ihn am liebsten in die Lippe beißen. Sieh sich einer diesen jungen Mann an
.
KERFUCHS
der ihren Blick bis zur letzten Sekunde, da sein Verhalten noch einigermaßen normal wirkt, auskostet
: Sicher, Entschuldigung.
Er schließt die Tür hinter sich. Walter taucht wieder auf. Das Pulsieren in seinen Ohren verebbt
.
LEITERIN
an alle
: Entschuldigung, das war nur … Ich habe nachher noch …
Sie winkt mit der Hand ab. Dieser Satz hat gar kein Ende. Sie hat begonnen zu schwitzen
.
3. Szene. Kerfuchs allein im Wartezimmer. Er hält einen Totenschädel in der Hand, der eigentlich ein musikalisches Spielzeug ist: Wenn man den Totenschädel aufzieht, beginnt er wild zu hoppeln und mit den Plastikzähnen zu klappern. Dieser Tanz vollzieht sich in einem Rhythmus, der an den Boléro von Ravel erinnert, das langweiligste Stück der Musikgeschichte
.
KERFUCHS
à part:
Ach ja, das ist die Rücksicht, die die Liebe zu jungen Jahren kommen lässt … Ist jetzt schon das zweite Mal, dass ich mitten in die Sitzung reingeplatzt bin. Aber ihr Blick, wunderbar! Das ist es wert. Man kann sie während dieser göttlich verlängerten Sekunde
atmen
sehen. Sie atmet den Moment ein und aus. Das erste Mal hab ich sie mitten im Satz unterbrochen.
Er verändert im Folgenden immer dann, wenn er Valerie meint, ein wenig die Stimme, ein wenig so, wie man die Stimme verändert, wenn man mit einem Kind oder einem kaputten Videorekorder spricht
.
Die Patientin, hat sie damals gesagt, kommt also zu mir, die Patientin kommt zu mir und sagt – und ihr Blick, ach –
Er bewegt den Totenkopf wie eine Taschenlampe
–, ihr Blick strich entschuldigend über mich hin, denn sie wollte mich nicht verscheuchen, aber sie wollte auch, dass ich mich in Luft auflöse, weil ich sie ablenkte. Die Patientin kommt zu mir und sagt, und sagt, dass sie schon seit Jahren an unerklärlichen Kopfschmerzen leidet, dass sie alles ausprobiert hat. Und sie spannte dabei den Abzug ihres Daumens auf: Erstens, und ich sah ihr ins Gesicht. Ich entschuldigte mich und schloss die Tür hinter mir, ich hatte ohnehin längst eine Erektion. Aber natürlich lauschte ich weiter von außen an der Tür. Vom Schädel-CT, fuhr sie fort, über ein Röntgen der Nackenmuskulatur bis hin zur Untersuchung ihrer Aura durch einen alternativen Kristallaufleger, alles ausprobiert, natürlich auch verschiedenste Migränemittel, alles nutzlos. Dann kommt natürlich der Verdacht auf eine psychosomatische Erkrankung auf und man versucht eine Therapie. Die Patientin macht die Therapie mit, sie macht überhaupt alles mit, was manihr vorschlägt, sie fügt sich, hebt die Hände, wenn man sagt,
Heben Sie bitte mal die Hände über den Kopf
, sie hustet, wenn man ihr sagt,
Jetzt bitte husten
. Dabei denkt sie die ganze Zeit nur an ihre
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