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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gedanken, daß sie ein Zimmer für sich hatte, ein von den anderen getrenntes Zimmer, in dem sie sich einschließen durfte, war sie von Stolz geschwellt wie eine Erwachsene. In dem Augenblick, da sie den Schlüssel herumdrehen wollte, als sie schon ihr Kleid ausgezogen hatte und im Unterröckchen dastand, zögerte sie jedoch, wurde ihr unbehaglich zumute. Wohin sollte sie fliehen, wenn sie jemanden erblickte? Ein Schauer überlief sie, sie machte die Tür wieder auf. Gegenüber, mitten im anderen Zimmer, stand noch Lazare, der sie ansah.
    »Was denn?« fragte er. »Brauchst du etwas?«
    Sie wurde sehr rot, wollte lügen, gab dann ihrem Bedürfnis nach Offenheit nach.
    »Nein, nein ... Siehst du, ich habe nämlich Angst, wenn die Türen abgeschlossen sind. Ich werde also nicht zuschließen, verstehst du, und wenn ich klopfe, dann sollst du kommen ... Du, hörst du, nicht das Hausmädchen!«
    Er war näher getreten, hingerissen von dem Zauber dieser so aufrichtigen und so rührenden Kindlichkeit.
    »Gute Nacht«, wiederholte er und streckte die Arme aus.
    Sie fiel ihm um den Hals, umschlang ihn mit ihren mageren Ärmchen, unbekümmert ob ihrer Nacktheit.
    »Gute Nacht, Lazare.«
    Fünf Minuten später hatte sie brav ihre Kerze ausgeblasen, kuschelte sie sich tief in ihr Bett hinter den Musselinvorhängen. Ihre Erschöpfung verlieh ihrem Schlaf lange eine traumhafte Leichtigkeit. Zunächst hörte sie Véronique ohne Rücksicht heraufkommen und ihre Möbel herumstoßen, als wolle sie alle Welt aufwecken. Dann gab es nur noch den grollenden Donner des Sturms: der hartnäckige Regen prasselte auf die Dachziegel, der Wind rüttelte an den Fenstern, fuhr heulend unter die Türen; und eine Stunde lang noch ging die Kanonade weiter, jede Woge, die zusammenstürzte, rüttelte sie mit einem tiefen und dumpfen Stoß. Es war ihr, als werde das Haus, zerschmettert, zermalmt vom Schweigen, wie ein Schiff vom Wasser davongetrieben. Sie empfand jetzt eine angenehme wohlige Wärme, ihr schwankendes Denken richtete sich wieder mit hilfsbereitem Erbarmen auf die armen Leute, die das Meer da unten aus ihren Betten jagte. Dann ging alles unter, sie schlief ohne einen Hauch.
     

Kapitel II
    Von der ersten Woche an brachte Paulines Anwesenheit Freude ins Haus. Ihre schöne ausgewogene Gesundheit, ihr ruhiges Lächeln besänftigten die heimliche Verbitterung, in der die Chanteaus lebten. Der Vater hatte eine Krankenwärterin gefunden, die Mutter war glücklich, daß ihr Sohn mehr daheim blieb. Allein Véronique brummte weiter. Die Familie schien durch die im Sekretär eingeschlossenen hundertfünfzigtausend Francs reicher geworden zu sein, obgleich sie das Geld nicht anrührte. Ein neues Band war geknüpft, und es erwuchs eine Hoffnung inmitten ihres Ruins, ohne daß man eigentlich wußte, was für eine.
    In der übernächsten Nacht war der Gichtanfall, den Chanteau nahen fühlte, zum Ausbruch gekommen. Seit einer Woche spürte er ein Stechen in den Gelenken, Schauer, die ihm durch die Glieder fuhren, ein unüberwindliches Grauen vor jeglicher Bewegung. Am Abend hatte er sich dennoch ruhiger schlafen gelegt, da stellte sich um drei Uhr morgens der Schmerz in der großen Zehe des linken Fußes ein, sprang dann auf die Ferse über, befiel schließlich den Knöchel. Bis es Tag wurde, stöhnte Chanteau leise und schwitzte unter den Decken, weil er niemand stören wollte. Seine Anfälle waren der Schrecken des ganzen Hauses, er wartete bis zur letzten Minute, bevor er rief, denn er schämte sich, daß es ihn wieder gepackt hatte, und er war verzweifelt, wenn er daran dachte, wie wütend man sein Übel wieder aufnehmen würde. Indessen konnte er, als Véronique gegen acht Uhr an seiner Tür vorüberging, einen Schrei nicht unterdrücken, den ihm ein tief sitzend er stechender Schmerz entriß.
    »So! Da haben wir's!« brummte das Hausmädchen. »Da schreit er wieder.«
    Sie war eingetreten, sah, wie er ächzend den Kopf hin und her drehte, und fand als Trost nur einen Satz: »Na, da wird sich Ihre Frau aber wieder freuen!«
    Als Frau Chanteau, die man benachrichtigt hatte, nun auch erschien, ließ sie in der Tat mit einer Gebärde verbitterter Mutlosigkeit die Arme sinken.
    »Schon wieder!« sagte sie. »Ich bin kaum da, und schon geht es los!«
    In ihr lebte gegen diese Gicht ein fünfzehnjähriger Groll. Sie verwünschte sie als den Feind, das Luder, das ihr Dasein verdorben, ihren Sohn ruiniert, ihr ganzes Streben zunichte gemacht hatte. Hätten

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