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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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liebgewinnen!«
     

Kapitel IV
    Als Louise, die zwei Monate bei den Chanteaus verbringen sollte, an jenem Sonnabend auf der Terrasse aus dem Wagen stieg, fand sie dort die ganze Familie versammelt. Der Tag ging zu Ende, ein sehr heißer, von der Meeresbrise erfrischter Augusttag. Abbé Horteur war auch schon da und spielte Dame mit Chanteau, während Frau Chanteau neben ihnen saß und an einem Taschentuch stickte. Und einige Schritt entfernt stand Pauline vor einer Steinbank, auf der sie vier Rangen aus dem Dorf, zwei kleine Mädchen und zwei kleine Jungen, hatte Platz nehmen lassen.
    »Wie! Du bist schon da!« rief Frau Chanteau. »Ich wollte gerade meine Handarbeit zusammenlegen, um dir bis zur Weggabelung entgegenzugehen.«
    Louise erklärte fröhlich, Vater Malivoire habe sie schnell wie der Wind hergebracht. Sie fühlte sich wohl, sie wollte sich nicht einmal umziehen; und während ihre Patin für ihre Unterbringung sorgte, begnügte sie sich damit, ihren Hut an dem Eisenbeschlag eines Fensterladens aufzuhängen. Sie hatte sie alle umarmt, dann ging sie zu Pauline und faßte sie lachend und schmeichelnd um die Taille.
    »Sieh mich doch nur an! Sind wir jetzt groß, was? Weißt du, ich mit meinen neunzehn Jahren bin schon eine alte Jungfer ...« Sie unterbrach sich und fügte lebhaft hinzu: »Dabei fällt mir ein, ich beglückwünsche dich ... Oh, stell dich nicht dumm, man hat mir gesagt, im nächsten Monat werde es soweit sein.«
    Pauline hatte Louises Liebkosungen mit der ernsthaft zärtlichen Art einer älteren Schwester erwidert, obgleich sie anderthalb Jahre jünger war. Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen, es handelte sich um ihre Heirat mit Lazare.
    »Aber nein, man hat dir etwas Falsches gesagt, versichere ich dir«, erwiderte sie. »Nichts ist festgelegt, es ist nur die Rede von diesem Herbst.«
    In der Tat hatte Frau Chanteau unter dem Druck der Umstände, trotz ihres Widerwillens, den die jungen Leute ihr allmählich anmerkten, vom Herbst gesprochen. Sie war auf ihren ersten Vorwand zurückgekommen; sie sähe es lieber, sagte sie, wenn ihr Sohn zunächst eine Stellung hätte.
    »Gut!« begann Louise wieder. »Du bist eine Geheimniskrämerin. Immerhin, ich werde dabeisein, nicht wahr? Und Lazare, ist er denn nicht da?«
    Chanteau, den der Abbé geschlagen hatte, gab die Antwort:
    »Du bist ihm also nicht begegnet, Louisette? Wir sagten vorhin, daß ihr zusammen ankommen würdet. Ja, er ist in Bayeux, um bei unserem Unterpräfekten15 vorzusprechen. Aber er kommt heute abend noch zurück, etwas spät vielleicht.« Und sich wieder seinem Spiel zuwendend, sagte er: »Jetzt fange ich an, Abbé ... Sie wissen, daß wir sie kriegen werden, diese großartigen Schutzbuhnen, denn das Departement16 kann uns in dieser Angelegenheit seine Unterstützung nicht verweigern.«
    Das war ein neues Abenteuer, das Lazare leidenschaftlich erregte. Bei den letzten Springfluten im März hatte das Meer abermals zwei Häuser von Bonneville fortgerissen. Nach und nach würde das Dorf auf seinem schmalen Strand aus Kiesgeröll aufgefressen und drohte endgültig an der Felsenküste plattgedrückt zu werden, wenn man sich nicht entschloß, es durch ernstliche Uferbefestigungen zu schützen. Doch es war von so geringer Bedeutung mit seinen dreißig baufälligen Häusern, daß Chanteau in seiner Eigenschaft als Bürgermeister seit zehn Jahren vergeblich die Aufmerksamkeit des Unterpräfekten auf die verzweifelte Lage der Einwohner lenkte. Schließlich hatte Lazare, getrieben von Pauline, deren Wunsch es war, ihn wieder der Tätigkeit zuzuführen, den Gedanken an ein ganzes System von Schutzbuhnen und Pfahlwerken gehabt, das dem Meer einen Maulkorb anlegen sollte. Allein man brauchte Mittel, zwölftausend Francs zumindest.
    »Den da schnappe ich Ihnen weg, mein Freund«, sagte der Priester und nahm einen Stein.
    Dann gab er bereitwillig einen eingehenden Bericht über das Bonneville von einst.
    »Die Alten erzählen, es gab einen Pachthof direkt unter halb der Kirche, einen Kilometer vom heutigen Strand entfernt. Seit mehr als fünfhundert Jahren schon werden sie vom Meer langsam aufgefressen ... Das ist unbegreiflich, sie müssen wohl Generation um Generation ihre Schandtaten büßen.«
    Indessen war Pauline zu der Bank zurückgekehrt, auf der die vier schmutzigen, zerlumpten Rangen mit offenem Mund warteten.
    »Was bedeutet das?« fragte Louise, ohne sich allzu nahe heranzuwagen.
    »Das sind meine kleinen Freunde«,

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