Die Freude am Leben
mündig erklärt, man ernannte als Kurator den ehemaligen Marinearzt Cazenove, über den der Friedensrichter die besten Auskünfte erhalten hatte.
Vierzehn Tage nach Frau Chanteaus Rückkehr nach Bonneville fand die Rechnungslegung über die Vormundschaft auf die einfachste Weise statt. Der Doktor hatte zu Mittag gegessen, man hatte sich bei Tisch ein wenig damit aufgehalten, die letzten Neuigkeiten aus Caen zu besprechen, wo Lazare gerade achtundvierzig Stunden wegen eines Prozesses verbracht hatte, mit dem dieser Schuft Boutigny ihn bedrohte.
»Dabei fällt mir ein«, sagte der junge Mann, »Louise wird uns wohl in der kommenden Woche überraschen ... Ich habe sie nicht wiedererkannt, sie lebt jetzt bei ihrem Vater, und sie wird immer eleganter! Oh, haben wir gelacht!«
Pauline sah ihn an, verwundert über die warme Erregung in seiner Stimme.
»Da du gerade von Louise sprichst«, rief Frau Chanteau aus, »ich bin mit einer Dame aus Caen gereist, die die Thibaudiers kennt. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Thibaudier soll seiner Tochter eine Mitgift von hunderttausend Francs geben. Mit den hunderttausend Francs ihrer Mutter würde die Kleine zweihunderttausend haben ... Na? Zweihunderttausend Francs, da ist sie ja wirklich reich!«
»Ach was!« begann Lazare wieder. »Das hat sie nicht nötig, sie ist bildhübsch ... Und eine rechte Schmeichelkatze!«
Paulines Augen hatten sich verdüstert, ihre Lippen preßten sich in einer leichten nervösen Zerrung zusammen. Da hob der Doktor, der sie nicht aus den Augen ließ, das kleine Glas Rum, das er gerade austrinken wollte.
»Na, wir haben ja noch gar nicht angestoßen ... Also, auf euer Glück, meine Freunde. Heiratet schnell und bekommt viele Kinder.«
Frau Chanteau streckte ohne ein Lächeln langsam ihr Glas vor, während Chanteau, dem alkoholische Getränke verboten waren, sich damit begnügte, zustimmend zu nicken. Lazare aber hatte Paulines Hand ergriffen mit einer Gebärde bezaubernder Hingabe, die genügt hatte, dem jungen Mädchen alles Blut ihres Herzens in die Wangen zu treiben. War sie nicht der gute Engel, wie er sie nannte, die immer zugängliche Leidenschaft, aus der das Blut seines Genies fließen würde? Sie erwiderte seinen Händedruck. Alle stießen an.
»Daß ihr hundert Jahre werden möget!« fuhr der Doktor fort, nach dessen Theorie hundert Jahre das schöne Alter des Menschen waren.
Da aber erbleichte Lazare. Diese hingeworfene Zahl durchfuhr ihn mit einem Schauder, beschwor die Zeiten herauf, da er aufgehört haben würde zu sein und vor denen tief in seinem Fleisch die ewige Angst wach war. Was würde in hundert Jahren mit ihm sein? Welcher Unbekannte würde an diesem Platz, an diesem Tische trinken? Er leerte sein Glas mit zitternder Hand, während Pauline, die seine andere Hand wieder gefaßt hatte, diese mütterlich von neuem drückte, als sähe sie über dieses fahle Antlitz den eisigen Hauch des Nimmermehr wehen.
Nach einem Schweigen sagte Frau Chanteau voller Würde:
»Wenn wir jetzt die Angelegenheit zu Ende brächten?«
Sie hatte beschlossen, die Unterzeichnung solle in ihrem Schlafzimmer erfolgen: Das wäre feierlicher. Seit Chanteau ein Salizylpräparat nahm, konnte er besser gehen. Er stieg hinter ihr die Treppe hinauf und zog sich dabei am Geländer hoch; und als Lazare sagte, er wolle auf die Terrasse gehen und eine Zigarre rauchen, rief sie ihn zurück und verlangte, daß er zumindest anstandshalber zugegen sei. Der Doktor und Pauline waren als erste nach oben gegangen. Verwundert über diesen feierlichen Aufzug, folgte ihnen Mathieu.
»Wie lästig ist dieser Hund, überall mit einem mitzukommen!« rief Frau Chanteau, als sie die Tür wieder schließen wollte. »Los, komm schon rein, ich will nicht, daß du kratzt ... So, niemand wird uns hier stören ... Ihr seht, alles ist bereit.«
In der Tat befanden sich ein Tintenfaß und Federn auf dem Tischchen. In dem Zimmer war jene dumpfe Luft, jene tote Stille von Räumen, die man selten betritt. Minouche allein verbrachte hier faule Tage, wenn sie am Morgen hineinschlüpfen konnte. Gerade jetzt schlief sie tief im Daunenbett; verwundert über diesen Überfall, hob sie den Kopf und schaute mit ihren grünen Augen umher.
»Setzt euch, setzt euch«, sagte Chanteau mehrmals.
Jetzt wurden die Dinge rasch geregelt. Frau Chanteau tat so, als zöge sie sich zurück, und ließ ihren Mann die Rolle spielen, die sie ihm am Abend zuvor eingeübt hatte. Um dem Gesetz Genüge zu tun,
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