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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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einem solchen Dickschädel war alles möglich; und was würde man von ihr und ihrem Gatten sagen, wenn ihr Mündel draußen umherzog und die Geschichte ihres Zerwürfnisses erzählte? Vielleicht würde sie bei Doktor Cazenove Zuflucht suchen, das würde einen fürchterlichen Skandal in der Gegend geben. Dieser Verlegenheit Frau Chanteaus lag der Schrecken vor der Vergangenheit zugrunde, die Furcht vor dem verlorenen Geld, das sich jetzt gegen sie wenden konnte.
    »Weine nicht, Louisette«, wiederholte sie, wieder von Zorn gepackt. »Du siehst, da sitzen wir durch ihre Schuld wieder einmal schön in der Tinte. Und immer sind es Gewalttätigkeiten, unmöglich, in Ruhe zu leben! Ich will versuchen, das in Ordnung zu bringen.«
    »Ich flehe euch an«, unterbrach Louise, »laßt mich abreisen. Ich würde zu sehr leiden, wenn ich bliebe ... Sie hat recht, ich will abreisen.«
    »Jedenfalls nicht heute abend. Ich muß dich deinem Vater zurückbringen ... Warte, ich gehe hinauf und sehe nach, ob sie wirklich ihre Koffer packt.«
    Leise ging Frau Chanteau an der Tür horchen. Sie hörte Pauline mit eiligem Schritt hin und her gehen, Möbelstücke öffnen und schließen. Einen Augenblick dachte sie daran, einzutreten und eine Erklärung herauszufordern, die alles in Tränen ertränken würde. Aber sie hatte Angst, sie fühlte, daß sie vor diesem Kinde stammeln und erröten würde, was ihren Haß noch steigerte. Und statt anzuklopfen, ging sie, das Geräusch ihrer Schritte dämpfend, in die Küche hinunter. Ein Gedanke war ihr gekommen.
    »Hast du den Auftritt gehört, den Mademoiselle Pauline uns soeben wieder gemacht hat?« fragte sie Véronique, die wütend ihr Kupferzeug putzte.
    Das Hausmädchen vergrub die Nase förmlich im Putzzeug und antwortete nicht.
    »Sie wird unerträglich. Ich weiß nichts mehr mit ihr anzufangen ... Stell dir vor, sie will uns jetzt verlassen; ja, sie ist dabei, ihre Sachen zu packen ... Vielleicht gehst du mal hinauf und versuchst, sie zur Vernunft zu bringen?«
    Und da sie noch immer keine Antwort erhielt:
    »Bist du taub?«
    »Wenn ich nicht antworte, dann, weil ich nicht will!« schrie plötzlich Véronique außer sich, während sie so an einem Leuchter herumrieb, daß sie sich fast die Haut von den Fingern scheuerte.
    »Sie hat recht, wenn sie geht; an ihrer Stelle wäre ich schon längst auf und davon.«
    Frau Chanteau hörte ihr mit offenem Munde zu, verblüfft über diesen entfesselten Wortschwall.
    »Ich bin nicht geschwätzig, Frau Chanteau; man soll mich aber nicht dazu treiben, denn dann sage ich alles ... So ist das, an dem Tage, an dem Sie die Kleine gebracht haben, hätte ich sie am liebsten ins Meer geschmissen; bloß, ich kann nicht leiden, daß man jemand was Schlechtes antut, und Sie alle quälen sie so sehr, daß ich eines Tages schließlich noch dem ersten, der sie anrührt, ein paar langen werde ... Oh, ich pfeife darauf, Sie können mir ruhig kündigen, sie wird dann schöne Geschichten zu hören bekommen, ja, ja, alles, was Sie ihr angetan haben mit Ihrem Getue anständiger Leute!«
    »Willst du wohl den Mund halten, du verrücktes Frauenzimmer!« murmelte die alte Dame, beunruhigt über diesen neuerlichen Auftritt.
    »Nein, ich werde nicht den Mund halten ... Das ist zu gemein, verstehen Sie! Seit Jahren ersticke ich daran. War es nicht schon genug, daß Sie ihr das Geld genommen haben? Nun müssen Sie ihr auch noch das Herz in Stücke reißen! Oh, ich weiß, was ich weiß, ich habe gesehen, wie das alles angezettelt wurde ... Und hören Sie! Herr Lazare ist vielleicht nicht so berechnend, aber er ist kaum besser, er würde ihr auch aus Selbstsucht den Todesstoß geben, um sich nicht zu langweilen ... Ein Jammer ist das! Manche sind eben dazu geboren, daß sie von den anderen aufgefressen werden!«
    Sie schwang ihren Leuchter, dann ergriff sie einen Kochtopf, der unter dem Lappen, mit dem sie ihn abwischte, wie eine Trommel dröhnte. Frau Chanteau hatte überlegt, ob sie Véronique nicht hinauswerfen sollte. Es gelang ihr, sich zu überwinden, und sie fragte kalt:
    »Du willst also nicht hinaufgehen und mit ihr reden? Es ist um ihretwillen, um ihr Dummheiten zu ersparen.«
    Wieder schwieg Véronique. Und schließlich brummte sie:
    »Ich werde trotzdem hinaufgehen ... Vernunft ist Vernunft, und Unüberlegtheiten haben noch nie was eingebracht.«
    Sie wusch sich erst in aller Ruhe die Hände. Dann nahm sie ihre schmutzige Schürze ab. Als sie sich entschloß, die Tür zum

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