Die Freundin meines Sohnes
Riesenteller, das Samstagsangebot: Steak und Eier. Erinnerte er sich an mich oder verwechselte er mich mit jemandem? Wie sollten wir das schwere Verbrechen in Round Hill bekämpfen, wenn die hiesigen Polizeikräfte bloß die fidelsten diesseits des Mississippi waren? Ich trank einen Schluck von meinem Kaffee und winkte zurück. Meine Zuversicht, die ich gerade mit Fett und Koffein gestärkt hatte, sank rapide. Ich legte einen Zwanziger auf den Tresen und verzog mich auf den Parkplatz, wo das erste taufeuchte Tageslicht auf dem rissigen Beton glänzte.
Ich setzte meine Sonnenbrille auf und fuhr in Richtung Palisades Parkway. Ich kann offen gesagt nicht behaupten, dass sich in meinem Kopf eine Absicht herausbildete, eine Strategie. Falls überhaupt, so wusste ich bloß, dass Laura Stern meine letzte Hoffnung war und dass ich nur durch ein Gespräch mit ihr möglicherweise verstand, was sie und Alec vorhatten. Ihr Plan klang so lächerlich vage – und Alec wäre nicht derjenige, der ihn mir erklären würde. Zumindest musste ich wissen, wie sie ihr Vorhaben selber sahen. Hatte ich nicht zumindest das verdient? Vielleicht sah Laura sich ja in der Lage, mir sachdienliche Hinweise zu geben, wo in Paris (auch Städte im Ausland haben Viertel) und wie sie zu einer Unterkunft kommen wollten, für wann sie ihre Rückkehr ins Auge fassten und natürlich, das war das Wichtigste: warum, warum, warum.
Warum, Laura?
Es hätte Alecs letztes Jahr sein sollen. Wenn er unbedingt nach Paris gewollt hätte, wäre ich mit ihm hingefahren.
Den Palisades Parkway zur George-Washington-Bridge. Sechs Dollar Mautgebühr. Dichter Verkehr auf dem FDR. Bauarbeiten morgens um halb acht an einem Samstag, und ich steckte in dieser grässlichen, halb zerfallenen Unterführung fest. Die Sonne schien auf Queens, ein Schlepperkämpfte sich den East River flussaufwärts. Über mir stiegen die Schönen vom Sutton Place gerade aus den Federn. Ich trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. Schaltete das Radio ein und hörte, es war so dämlich und immer dasselbe, den Sportsender. Am Mikro Ihr Mike aus Massapequa, Steve aus Seaford, Bernie aus Bay Ridge, Richie aus Rockland, heute sprechen wir mal über Jeter, Randolph, Matsui, Rodriguez, Reyes, die Giants, die Knicks, die Rangers, aber keiner sagte ein Wort über meine armen Nets, die dieses Jahr die Qualifikation wieder geschafft hatten und wieder in der Rückrunde gescheitert waren. Der Verkehr rollte wieder an. Ich schaltete das Radio aus.
Nach der Ausfahrt Houston brauchte ich nicht lange herumzukurven, bis ich das Avenue A Yoga gefunden hatte. Ich brauchte auch kein sonderliches detektivisches Geschick, um den Klingelknopf mit der Aufschrift CHANG/STERN an dem sanierten Brownstone-Haus direkt obendrüber zu erspähen. Ich hatte schon mit viel Glück direkt gegenüber einen freien Parkplatz gefunden und behielt mein Auto im Blick, als ich läutete.
Und läutete.
Und läutete.
Wenn sie sich einbildete, mir so leicht zu entwischen, war sie schief gewickelt; ich würde mich auf den Treppenabsatz setzen und den ganzen Tag warten. Mir machte das nichts aus. Ich hatte ja sonst nichts vor.
Ich läutete.
» Was gibt’s denn ?« Da die Stimme zornig und erschöpft klang, war es schwer auszumachen, ob das Stern war oder Chang.
»Laura?«
»Ja? Wer ist da?«
»Pete Dizinoff. Dr. Pete. Ich möchte mit dir sprechen.«
Am anderen Ende herrschte sekundenlang Stille. Das war extrem unhöflich, schon aus Anstand müsste sie guten Tag zu mir sagen, sich erkundigen, wie es mir geht, und mich, noch höflicher, reinlassen. Ich war ein alter Freund der Familie.
»Was wollen Sie?«
»Ich muss mit dir sprechen.«
»Worüber?«
»Laura, könntest du mich bitte reinlassen?« Ich beteuerte nichts, sagte nicht etwa: Ich will dich auch nicht lange aufhalten, oder: Ich muss dich bloß nach ein paar Sachen fragen. Ich hatte keine Vorstellung, wieviel Zeit ich brauchen würde und worüber wir letztlich wirklich sprechen würden. In meiner Brieftasche hatte ich immer noch ein Babyfoto von Alec. Wenn es nicht anders ging, würde ich sie zwingen, sich das anzusehen, damit sie etwas begriff.
Sie drückte den Summer, und ich stieg in einem sauberen, renovierten und tapezierten Treppenhaus zwei Stockwerke nach oben. Auf jeder Etage war nur eine Wohnung, was bedeutete, dass sie wohl eine nette Größe hatten, was wiederum bedeutete, dass Joe und Iris Laura gut unterstützten, denn wie um alles in der Welt sollte dieses
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