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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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Schuylkill entlang, durch die Boathouse Row. Ich sah sie im Geiste vor mir, wie sie vorwärts wackelte, Marmelade auf dem T-Shirt, eine Tasse Apfelsaft in der Hand. Sah sie in Rehoboth, Bücher unter dem Arm, die Langschläferin. An die Behindertentoilette in der Stadtbücherei von Round Hill und an alles das, was danach herausgekommen war, wollte ich nicht denken.
    »Wie sieht’s denn mit den Visa aus?«, fragte ich schließlich.
    Sie lachte wieder. »Wir werden schwarz bezahlt, Dr. Pete.«
    »Verstehe.«
    »Das ist nicht so ungewöhnlich.«
    »Natürlich nicht.« Das klang alles so dilettantisch! Merkwürdigerweise fasste ich wieder Mut. Wenn sie einen richtigen Plan gehabt hätten, einen richtig guten Plan, wäre ich unruhiger gewesen. »Laura, du verstehst doch, warum ich nicht von der Idee begeistert bin, dass Alec mit dir nach Paris geht.«
    »Sicher«, sagte sie. »Natürlich verstehe ich das.« Sie streckte tatsächlich die Hand aus und tätschelte mir den Arm, so als sei ich hier das Kind und als sei sie diejenige, die bestimmte harte Wahrheiten ausspricht. »Das Dumme ist bloß, Alec möchte es wirklich. Er möchte wirklich hinfahren. Und wer bin ich, ihm zu sagen, dass er das lieber lassen soll?«
    »Laura, Alec bedeutet dir etwas, oder?«
    Sie lachte wieder, so herablassend, dass es einen auf die Palme brachte. »Alec ist einer der unglaublichsten Menschen, die ich je kennengelernt habe, Dr. Pete. Er ist intelligent und hängt sich bei seiner Kunst und dem, woran er glaubt, so rein …«
    »Er ist ein Kind.«
    Sie machte eine abwehrende Handbewegung. »Hören Sie, ich hab ihm schon erklärt, dass Paris nicht einfach sein wird, wir werden nicht viel Geld haben, wir werden nicht viele Leute kennen. Für jemanden wie ihn, der mit allem Komfort aufgewachsen ist, könnte das hart werden. Aber es stört ihn nicht. Er sagt, er braucht nicht viel Geld, nicht viel Gesellschaft.«
    »Laura, das sagt er, weil er vernarrt ist und ein Kind. Ein Kind! Solange er mit dir zusammen ist, ist ihm alles andere egal.«
    Sie stand auf und schenkte uns noch mal Kaffee nach. »Das ist süß, oder?«
    »Süß? Machst du Witze?«
    Mir schoss etwas durch den Kopf: Ihre Mitbewohnerin war nicht da, sie hatte diese sexy Wäsche an, aber Alec war trotzdem mitten in der Nacht nach Hause gekommen. »Warum ist er nicht da?«
    »Oh, er wollte schon hierbleiben«, sagte sie. »Aber manchmal muss ich ihn einfach nach Hause schicken. Es ist bestimmt besser für uns, wenn wir nicht jede einzelne Sekunde zusammen verbringen.«
    »Was glaubst du, wie das in Paris wird?«
    »Alec versteht mich, Dr. Pete. Er weiß, dass ich nicht die ganze Zeit jemanden um mich haben kann. Manchmal brauch ich einfach meinen Freiraum. Alec versteht das. Er hat dafür Verständnis.«
    »Laura, Alec würde es auch verstehen, wenn du ihm sagen würdest, er soll sich als Clown verkleiden und das EmpireState Building hinaufklettern. Vernarrte Einundzwanzigjährige sind so.«
    »Ein bisschen mehr könnten Sie ihm schon zutrauen.«
    »Ach ja?«
    Sie setzte sich wieder hin, stellte unsere Kaffeebecher ab, griff hinter sich in eine Schublade und holte Zigaretten, Feuerzeug und ihren Aschenbecher heraus. »Klar«, sagte sie. »Ich frage mich, warum Sie das nicht tun.«
    Es war eine Frechheit, dass sie mir sagte, ich würde meinem Sohn nicht genug zutrauen, und trotzdem war ich immer noch beeindruckt von meiner seelischen Stärke: Da saß ich hier in dieser hübschen, sonnendurchfluteten Küche mit Laura Stern, die diese Nachtwäsche anhatte, und schaffte es, nicht vor Zorn ausfällig zu werden. Sie hatte schon morgens, vor ihrer ersten Zigarette, eine rauhe Stimme, und selbst als sie sich eine anzündete und mir den Rauch in die Augen pustete, war ich so klar wie noch nie im Kopf.
    »Schau«, sagte ich. »Ich respektiere meinen Sohn sehr. Er ist ein großartiger Mensch, talentiert, ein liebenswürdiger und großzügiger Mensch. Wenn ich weniger von ihm hielte, würde es mir nicht so viel ausmachen, dass er mit dir nach Paris abhauen will. Vielleicht verstehst du das.«
    »Sind Sie schon mal in Paris gewesen?«
    »Spielt das eine Rolle?« Tatsächlich war ich einmal dort gewesen, während eines Urlaubs war das einer von vier Stopps auf einer Europatour gewesen. Wir wollten die ganze Zeit einen Regenschirm kaufen, abgesehen von dem einen Tag im Louvre, wo es mir zu meiner Überraschung gefallen hatte. Ich erinnerte mich noch an das riesige Gemälde von Napoleon, der sich vor

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