Die Freundin meines Sohnes
arbeitete nachts beim Künstlerbedarf Utrecht, freundete sich mit Kollegen an und unterrichtete nachmittags im Red-Barn-Kulturzentrum Malerei. Mit der Zeit tat es beinahe wohl, ihn daheim zu haben, und wir freuten uns, dass wir außer uns selbst noch jemanden zum Reden hatten. Er ließ sich dazu herab, hin und wieder mit mir zu einem Spiel der Nets zu gehen, und nach dem Spiel führten wir bei Bier und vegetarischen Hamburgern (er hatte genau die Ansichten über Fleisch, die man erwartete) Männergespräche über nichts Besonderes.
»Ist Neal über die Ferien zu Hause?«, fragte er, als wir zum Freeman Court fuhren.
Neal Stern war fast im selben Alter wie Alec, aber zu meiner und Joes Enttäuschung waren die beiden nie gut miteinander ausgekommen, nicht mal als Kinder. Total unterschiedliche Geister: Neal wissbegierig und scharfzüngig, Alec ein Bohemien und leicht reizbar, manchmal aber trotzdem reizend.
Elaine drehte sich nach hinten um. »Ich glaub schon.«
»Der hat bestimmt schon seine erste Million gemacht, oder?«, sagte Alec. »Mit seiner Biotechnologie?«
»Du hast dich wohl über Neal Stern informiert?«
»Also wirklich«, sagte Alec lachend. »Ihr habt doch oft genug von ihm gesprochen. Ich kenn seinen Lebenslauf auswendig.«
»Wir haben von ihm gesprochen?« Ich wusste ehrlich nicht, dass wir Neal Stern erwähnt hätten und hatte sofort das Gefühl, mich selbst und meinen Sohn verteidigen zu müssen.
»Ich hab seinen Namen im letzten halben Jahr nicht öfter als zweimal ausgesprochen.«
»Hah!«, machte Alec bissig und wiederholte es auch noch einmal, damit wir ihn auch wirklich verstanden: »Hah!«
»Wirklich?«
»Neal Stern macht seinen Abschluss am MIT als Phi Beta Kappa. Neal Stern hat als Ko-Autor schon elf Artikel in führenden biomedizinischen Zeitschriften veröffentlicht. Neal Stern hat ein Stipendium des NIS bekommen, er geht nach Deutschland in die Protonenforschung. Neal Stern hat zehn verschiedene Jobangebote bekommen, alle mit sechsstelligem Gehalt, er überlegt, welches er annehmen soll.« Aber Alec klang amüsiert und nicht verbittert.
»Protonen, genau«, sagte Elaine. »Das war voriges Jahr im Sommer, oder?«
»Hah«, murmelte Alec wieder.
»Also, ich erinnere mich nicht, in so bewunderndem Ton über Neal Stern gesprochen zu haben, aber falls doch, dann bestimmt nicht, weil ich will, dass du wie er wirst«, sagte ich. Wir waren fast da, es war ein sonniger Tag, wir hätten auch zu Fuß gehen können. »Ich bin nur überrascht über solche lächerlichen Erfolge, genau wie du. Das ist ja wie in Ripley’sunglaublicher Welt, darum hab ich’s erwähnt. Ich sehe ihn nicht als Vorbild.«
»Okay, und zu deiner Information: Neal Stern ist schon immer ein totaler Blödmann gewesen.«
»Mmm«, machte Elaine. »Stimmt das? Ein Blödmann? Hapert es bei auffallend intelligenten Menschen nicht öfters an den sozialen Kompetenzen?«
»Das ist ein Klischee«, sagte Alec.
»Vielleicht ist er ja bloß ein bisschen ungeschickt?«
»Mom, er ist ein Blödmann. Aber das ist auch nicht wirklich schlimm.«
»Pete, stimmt das?« Elaine konnte einfach nicht das Schlimmste bei Menschen annehmen, vor allem nicht bei Kindern. Sie sah mich an, und ich zuckte mit den Achseln.
Ich wusste, auch Joe fand öfters, dass sein Ältester durchaus etwas von einem Blödmann hatte, obwohl er sich das nicht anmerken ließ. Neals ganze Kindheit hindurch hatte ich miterlebt, wie Joe versuchte, ihn mit kleinen väterlichen Gesten zu gewinnen – Fangen spielen, einem Teller mit Salami und Eiern, einem Ausflug in den Freizeitpark mit mir und Alec und ein paar anderen Nachbarn –, und wie er ohne das kleinste Wort des Bedauerns abgewiesen wurde. »Dad, für so was hab ich keine Zeit. « Der rothaarige Neal tippte wie ein Wilder auf seinem teuren Laptop, und Joe zog sich verwundert und traurig zurück.
»Wisst ihr, wer noch da sein wird?«, fragte Elaine, als wir einen Block von der bereits vollen Straße der Sterns entfernt einen Parkplatz gefunden hatten. »Laura. Sie ist aus Kalifornien zurück und vorige Woche wieder bei ihnen eingezogen. Iris hat sie im Keller einquartiert. Ich glaub, sie will eine Weile bleiben.«
»Du machst Witze.« Ich hatte Laura Stern mindestens zehn Jahre lang nicht gesehen, wenn nicht noch länger. Joe und Irishielten uns über die Stationen ihrer Wanderschaft auf dem Laufenden, aber selten in allen Einzelheiten. »Ich dachte, sie züchtet Highend-Ziegen oder so was.«
»Hat sie
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