Die Freundin meines Sohnes
rechtfertigen zu müssen, sich rechtfertigen, weil sie so lange braucht, um eine Entscheidung zu treffen. Ich sage ihr immer, sie solle sich das nicht von ihm gefallen lassen, sie sei schließlich seine Mutter, aber sie zuckt nur mit den Achseln. Sagt, vielleicht habe er recht.
Jenseits des dunkel gewordenen Rasens geht das Licht im Schlafzimmer an. Die Jalousien dort waren noch nie blickdicht, wir haben uns immer gesagt, dass sich sowieso niemand die Mühe machen würde, dort rein zu sehen. Dabei ist das so einfach. Der junge Craig könnte es tun. Jeder könnte es. Alec – ich sehe ihn im Profil – steht am Fenster und telefoniert mit dem Handy. Ich weiß nicht mehr, mit wem er spricht, und hoffe, dass er sich vielleicht mit einem Mädchen verabredet, obwohl ich das bezweifle. Auf unserer Einfahrt stehen keine fremden Autos, und sein eigenes Auto steht zu oft nachts hier. Alec gestikuliert, schüttelt den Kopf, klappt das Telefon zu. Schaltet das Licht aus.
Hat er sich gestritten? Ich werde es nie erfahren.
Wie angekündigt sieht er nie auch nur in die Richtung des Ateliers.
Voriges Jahr war das noch ganz anders.
Am 1. Januar 2006 fand zum elften Mal der Neujahrbrunch der Sterns statt. Er war zur Tradition geworden, nachdem Joe, nur mit einer geborgten Kreissäge und dem Handbuch zurVerschönerung und Renovierung des Eigenheims von Time-Life , nachträglich eine erhöhte Terrasse an sein Haus angebaut hatte. Für siebenhundert Dollar Kantholz 10 auf 10 aus Eiche und einen Nagel in den Daumen, der eines frühen Morgens die Fahrt in die Notaufnahme erforderte. Ich hatte zufällig Dienst, als sie ihn reinbrachten, und zog ihn auf, während ein Assistenzarzt die Wunde nähte. »Das alles, Joe, bloß um zu beweisen, dass ein Jude auch was mit den Händen zustande bringt?«
»Du verdammter Jid«, sagte Joe und kniff vor Schmerz die Augen zusammen. »Sobald ich meine Hand wieder bewegen kann, zeig ich dir, wie gut sie in dein Gesicht passt.«
Die Terrasse war wunderschön geworden: Iris hatte sie in einem dunklen Walnussbraun gebeizt, Joe hatte bei Sears einen großen rosa Sonnenschirm und billige Balkonmöbeln gekauft, und von nun an nahmen die Sterns von März bis Oktober alle Wochenendmahlzeiten draußen ein. Manchmal schauten Elaine und ich bei unseren Spaziergängen kurz bei ihnen vorbei, aßen mit Genuss das, was sie übrig gelassen hatten, oder tranken mit den Sterns einen Scotch. Oder wir teilten uns mit Joe und Iris eine Zigarre, die wir zwischen uns vieren herumgehen ließen wie einen Joint. Die Kinder – Neal, Adam, Pauline – schoben ins Wohnzimmer ab und spielten Videospiele, wenn Alec uns begleitete, machte er dort mit. Wie das so in Vororten ist. Es interessiert mich nicht, was andere darüber denken. Für mich ist das ist die einzig zivilisierte Art zu leben.
Das Neujahrbrunch-Ritual gebot, dass auf dieser geliebten Terrasse Cocktails gereicht wurden, egal, wie eisig die Temperaturen waren. Joe mochte das so, und Iris hatte in der Küche einen Topf heißen Kakao auf dem Herd stehen für diejenigen, die so vernünftig waren, dem Wetter nicht partout trotzen zu wollen. In der Regel standen die Männer draußen,hauchten sich in die Hände und redeten über Football, und die Frauen scharten sich um die heiße Schokolade, mümmelten mit schlechtem Gewissen Donuts und machten sich über ihre Männer lustig.
Am 1. Januar 2006 wachte Elaine als Erste auf – eine Seltenheit – und legte im Wohnzimmer ein Yoga-Video ein. Alec stand mit ausgetrockneter Kehle wegen zu heftigen Feierns als Nächster auf, kam auf Zehenspitzen in unser Schlafzimmer geschlichen, wühlte in unseren Schubladen nach Tabletten, bis er einen versteckten Vorrat Probepackungen Naproxen fand. Sein Gekrame und Gepolter machte mich wach.
»Was machst du da?«
»Kopfschmerzen.«
»Wie spät ist es?«
»Gleich zehn.«
»Das ist ja wohl ein Witz.« Wann hatte ich das letzte Mal so lange geschlafen? Wir hatten am Abend zuvor mit meiner Kollegin Janene und ihrem Mann Bill zusammen im Garland Chop House zu Abend gegessen, hundertsechzig Dollar pro Paar inklusive einer Flasche Champagner Hausmarke, und mir fiel ein, dass ich in einem Anfall von Silvesterfieber drei Flaschen Dominus 2003 spendiert hatte, um die T-Bone-Steaks runterzuspülen.
»Wo ist deine Mutter?«
»Unten beim Yoga. Mit Weihrauch.«
»Soso.«
Ich griff nach meinem Morgenmantel, tappte die Treppe hinunter und war aus irgendeinem Grund entzückt, meine Frau in
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