Die Freundin meines Sohnes
auch«, sagte Elaine. »Aber dann hatte sie genug davon und wollte wieder nach Hause.«
»Highend- Ziegen ?«, fragte der ungläubige Knabe, der als Rucksacktourist in vier Jahren von Belgrad bis Barcelona kommen wollte. »Wer kommt denn auf so eine Idee?«
»Iris’ Schwester betreibt eine Farm in Sonoma«, sagte Elaine. »Sie macht Ziegenkäse für Restaurants. Bei Zabar kann man das Zeug kaufen.«
»Ziegenkäse«, sagte Alec verächtlich, als wir den gepflasterten Weg zum Haus der Sterns entlanggingen. »Bringt ein Baby um und geht nach Sonoma und macht Ziegenkäse .«
»Alec.«
»Schlägt dem Baby den …«
»Es reicht«, sagte Elaine scharf. Alec atmete tief aus, hielt aber den Mund.
Die Party war bereits in vollem Gange, und das Haus der Sterns war von würzigen Festtagsgerüchen erfüllt: Es roch nach Parfum, Eierpunsch, getoastetem Brot und Kaminfeuer. Treppauf und treppab jagten Kinder von irgendwem Kinder von irgendwem. Ich hörte Vince Dirks, meinen Praxispartner, im Wohnzimmer lachen. Bill Rothman kam auf mich zu, als wir unsere Mäntel ins Gästezimmer warfen und legte mir seine schwere Pranke auf die Schulter.
»Ich bin total erledigt.«
»Du hast gestern Abend zuviel getrunken, Bill. Ich hab dich gewarnt.«
»Drei Flaschen Dominus. Drei Flaschen! Die kann man doch nicht umkommen lassen. Was sollte ich denn machen?«
»Da hast du natürlich recht.«
»Janene liegt immer noch. Die Kinder glauben, sie wäre wirklich krank. Mit so einem Kater haben sie bei ihrer Mutter noch nie erlebt.«
»Sie wird schon wieder.«
»Ich hab ihr Aspirin und Pepto auf den Nachttisch gelegt.«
»Nett von dir.«
»Das war das Mindeste, was ich tun konnte.«
»Frohes neues Jahr, Bill.«
»Frohes neues Jahr, Pete.« Und dann schloss er mich in die Arme, weil er Kinderarzt und eben so jemand war.
Unten schob ich mich durch die Partygäste und sang Auld Lang Syne mit meinen Bekannten. Nach dreiundzwanzig Jahren in einem Vorort kennt man alle. Durch die komplett verglaste Küchentür sah ich einen mir fremden, schon älteren Mann, er unterhielt sich mit Christina Sherman, die, hinreißend und rank und schlank wie immer, seit kurzem mit einem Anwalt aus Manhattan verlobt war, wie ich von Shelly wusste. Christina würde Louis’ Tod nie ganz verwinden, war aber zu klug, als dass sie in Kummer hätte versinken wollen. Sie hatte einen Job als Lehrerin an der Ganztagsschule angenommen, und ich sah sie häufig frühmorgens im JCC, sie in Elastan-Laufklamotten, ich schwitzend und verlegen in weiten Shorts. Der ältere Mann stand sehr dicht neben ihr, atmete ihr praktisch auf den Hals, aber Christina war zu höflich, als dass sie weggerückt wäre. Ich erwog, hinzugehen und hallo zu sagen. Ich hoffte, sie würde unsere kleine Stadt nicht in Richtung Metropole verlassen.
»Pete!«
»MaryJo!« Ich wandte mich um. Bert war vor acht Jahren gestorben, aber MaryJo mischte immer noch überall mit. Das taten auch ihre Kinder und ihre Kindeskinder, die inzwischen alt genug waren, selber einen Topf Rigatoni mitzubringen,wenn in der Nachbarschaft gefeiert wurde. Ich gab allen Birches einen Kuss auf die Wange und tat mir eine Kelle dampfende Pasta mit Ricotta auf, bevor jemand anders dazu kam.
Draußen auf der Veranda stand Joe in abgewetztem Parka und mit Weihnachtsmannmütze auf dem Kopf und rührte für alle Neuankömmlinge seine speziellen Neujahrs-Pfefferminz-Martinis (Obstbrand, Wodka, eine Zuckerstange zum Umrühren) zusammen. »Doktor D!« sagte er, als er mich sah. »Frohes neues Jahr!«
»Dir auch frohes neues Jahr, Alter«, sagte ich, schluckte meine Rigatoni herunter und hätte zu gern ebenfalls eine Weihnachtsmannmütze gehabt. »Hast du auch was zu trinken für Erwachsene?«
»Bloody Mary?«
»Ich sagte für Erwachsene.« Ich war ein überzeugter Anhänger der These, dass man so anfangen soll, wie man aufgehört hat.
»Guter Junge«, sagte Joe grinsend und goss mir einen Scotch ein. Auf der Veranda war ein munterer Minjan zustande gekommen, alles Männer, abgesehen von einer wildkatzenartigen Asiatin in extrem weiter Hose, Tarnjacke und Springerstiefeln mit Stahlkappen. Neal Stern kam heraus, in der Hand einen Becher Schokolade, und legte mit Besitzergeste den Arm um die Frau, deren Miene von finster zu leicht spöttisch wechselte. Neal wurde schon kahl, genau wie sein Vater in dem Alter, leider hatte er den fragwürdigen Hang, sich den Schädel komplett zu rasieren, wodurch er trottelig und zugleich verschlagen
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