Die Freundin meines Sohnes
ihren Atlanta-Akzent mit den locker sitzenden Vokalen, und für einen Moment fürchtete ich, unter ihrem prüfenden Blick zu erröten.
»Ich versteh nicht das Geringste von Basketball, und die hier«, sagte sie und verstrubbelte Ashley die Ringellöckchen, »arbeitet soviel für die Schule, dass ihr der Weg zu einem Spiel ins Meadowlands zu weit ist.«
»Sehr nett von Ihnen, ich kauf sie Ihnen ab.« Karten für Sportveranstaltungen waren eine beliebte Währung in RoundHill: Eintrittskarten, Ferienhaus-Sharing, ärztlicher Rat nach Feierabend.
»Pete, seien Sie nicht albern. Sie würden eh verfallen. Sie kriegen sie natürlich so.« Sie legte mir kurz die Hand auf den Arm, und zugegebenermaßen kribbelte es mir durchs Jackett durch. »Ashley, willst du Dr. Dizinoff nicht begrüßen?«
»Hallo«, sagte das Mädchen und vergrub das Gesicht in die Schulter ihrer Mutter.
»Hallo, Ashley.«
»Wir müssen gleich los, aber ich wollte Sie unbedingt wegen der Karten fragen. Ich bringe sie in der Praxis vorbei.«
»Ich kann sie Ihnen auch vorbeibringen«, sagte Shelly. »Ich hab in zwei Wochen einen Termin zum Durchchecken.« Louis’ Tod hatte die beiden Frauen schnell Freundinnen werden lassen. Ich sah die Shermans immer noch regelmäßig, Ashley ausgenommen. Sie hatten weiter volles Vertrauen zu mir, trotz des Verlusts, den sie unter meiner Obhut erlitten hatten, ein Verlust, für den ich mich nach wie vor sehr schämte.
»Ja, ich freu mich darauf«, sagte ich.
Als die Shermans gingen, kam meine Frau, deren Anwesenheit ich gar nicht bemerkt hatte, mit ironischem Lächeln und Puderzucker auf dem Sweater zu mir. Sie stopfte mir einen halben Donut in den Mund und sagte: »Frohes neues Jahr, Kleines.«
»Dir auch frohes neues Jahr.« Um ein Haar hätte ich mich an dem Donut verschluckt. Elaine lachte. Sie war gutgelaunt und trank, ihrem Atem nach, ihre heiße Schokolade offenbar mit Schuss. Sie küsste mich auf die Wange. Die Küche hatte sich geleert – bei solchen Partys wechselte die Anzahl der Gäste in einem Raum wie die Gezeiten –, und so waren bloß Iris, Elaine und ich übrig geblieben, wir alle drei vom Abend zuvor und der rauschenden Party ein wenig angeschlagen.
»Frohes neues Jahr, Pete«, sagte Iris.
»Frohes neues Jahr, Iris.« Sie hatte sich in die Frühstücksecke gekuschelt und ließ es einfach geschehen, dass ihre Küche im Chaos versank. Iris hatte eine dunkle Stimme – das war einer ihrer unzähligen Reize –, und ihre Art, sich von Durcheinander nicht stören zu lassen, war einfach wunderbar. Gläser und Trinkbecher stapelten sich in der Spüle, Pastareste lagen auf der Arbeitsplatte. Der Topf mit der heißen Schokolade war übergekocht, auf dem Boden waren kleine Schokoladenpfützen zu sehen, aber Iris saß zurückgelehnt am Fenster, das ergrauende rote Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, die kühlen grünen Augen halb geschlossen. Vor langer Zeit hatte ich sie unglaublich geliebt.
»Das ist eine sehr schöne Party«, sagte ich und rutschte neben sie auf die Bank.
»Hast du Spaß?«
»Natürlich.«
»Donuts und ab und zu einen Scotch und Menschen, die ihn bewundern«, brummelte Elaine. »Alles Dinge, die Pete besonders mag.«
Iris lachte. »Ich wusste gar nicht, dass wir Scotch dahaben.« Sie lehnte den Kopf an das frostkalte Fenster hinter sich. Sie trug einen schwarzen Rollkragenpullover und bronzene Kreolen und wäre als ergrauende Bohemienne oder als Bankerin durchgegangen. Vor ein paar Jahren hatte das Wall Street Journal einmal einen Artikel über sie gebracht, über einen Konflikt, in den sie durch sittenwidrig handelnde Klienten geraten war. Das gepixelte Foto auf der Titelseite zeigte Iris mit zurückgekämmtem Haar und großer Brille. In dem Artikel hieß es, ihr Einkommen bewege sich knapp oberhalb von einer Million Dollar. Laut meinem Bruder hatte das Journal es um mindestens eine halbe Million zu niedrig angesetzt.
»So viel? Mach halblang, Phil. Diese Leute kaufen ihre Schuhe bei Target.«
»Von Haus aus Schnäppchenjäger«, erläuterte mir Phil. »Die Marotten der wirklich Wohlhabenden.«
Obwohl wir schon ein halbes Leben lang über Gott und die Welt redeten, hatten Joe und ich nie über diesen Artikel gesprochen. Ich schämte mich, weil ich neidisch war, und Joe schämte sich wohl, weil seine Frau so viel Geld verdiente. Er gab sich betont genügsam und beklagte sich gern über den Designerfimmel seiner Tochter Pauline. Im selben Jahr sahen wir uns einmal in der
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