Die Freundin meines Sohnes
mal, dass Neal eine Freundin hat«, sagte Elaine.
»Sie sind schon fast ein halbes Jahr zusammen. Neal denkt, dass er sie heiraten wird. Wahrscheinlich hat er recht. Macht euch schon mal auf eine jüdisch-buddhistische Zeremonie an einem Glücksdatum diesen Herbst gefasst.«
»Wirklich?«, sagte Elaine. »Wie aufregend!«
»Bitte«, höhnte Iris. »Sie macht das doch nur wegen der Einbürgerung.«
»Sprechen wir wieder über Amy?«
Ich sah auf. Die Stimme war ein Echo von Iris’ Stimme, ironisch und rauh, und trotzdem brauchte ich einen Augenblick, bis ich begriff.
»Dr. Pete«, sagte Laura Stern. »Wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen.«
Meine Güte.
»Allerdings«, sagte ich. »Hallo.«
Ich hatte Laura seit der Woche, in der wir sie ins Gateway House gebracht hatten, nicht mehr gesehen, vierzehn Jahre lag das jetzt zurück, und das Mädchen hatte sich in hunderterlei Hinsicht zum Besseren verändert. Damals war sie hohläugig gewesen, vollkommen erledigt von dem Prozess, der Inhaftierung und allem, was dem vorausgegangen war. Eine Verbrecherin, ein Teenager, der eine Depression hatte und sich unter viel zu weiten Shirts versteckte. Jetzt hingegen – jetzt war sie wie Iris zwanzig Jahre zuvor, nur mehr oder noch besser oder einfach da, das blühende Leben.
»Du erinnerst dich doch an Laura, Pete, oder?«
»Wie könnte ich sie vergessen?«
Dennoch: Die Person, die hier vor mir stand, hatte ich noch nie gesehen. Dickes rötliches Haar bis über die Schultern, helle Haut mit ein paar blassen Sommersprossen besprenkelt, grünbraune Augen, schmale Schultern in einer weißen Bluse. Ein freundliches Lächeln, ein zurückhaltendes Funkeln in den Augen. Sie hatte die letzten drei Jahre lang Ziegen versorgt. Ich stand auf.
»Laura«, sagte ich. »Wie geht es dir?«
»Mir geht’s gut«, sagte sie, beugte sich nach vorn und drückte ihre Wange gegen meine. Sie roch nach frischer Wäsche. Das Mädchen, das auf einer gottverlassenen Insel ausKaurimuscheln Schmuck gefertigt hatte, wusch seit drei Jahren seine Sachen in einem Flüsschen.
»Hallo, Elaine.«
»Hallo, meine Süße«, sagte Elaine leise vertraut. Elaine kannte Laura besser als die meisten. Sie hatten sich geschrieben, als das Mädchen im Gateway House war, und auch später Kontakt gehalten: Elaine hatte Laura die Notizen zu ihrer Bergen-Vorlesung über Chaucer, die Angeln und die Kelten und über den altnordischen Einfluss auf die englische Sprache geschickt, Laura schrieb in ihren ausführlichen Briefen über das schreckliche Essen im Gateway, übers Rauchen, das sie sich angewöhnt hatte, über ihre Versuche, wieder damit aufzuhören, und darüber, dass ihre Geschwister ihr fehlten. Ich war jedesmal sauer, wenn Briefe kamen, und überlegte oft, ob ich sie wegwerfen sollte, bevor Elaine nach Hause kam. Ich war sicher, dass Laura schlecht war, dass Blut an ihren Händen klebte und dass Elaine ihre Zeit nicht mit Sozialarbeit verplempern sollte, nicht mal bei der Tochter unserer engsten Freunde.
Elaine und Laura umarmten sich. »Du siehst toll aus, Laura. Einfach toll.«
»Du ebenfalls.«
»Ach Gott, nein«, sagte Elaine nachdenklich. »Ich bin so fett geworden.«
»Hör auf damit, Elaine. Sie hat recht – du siehst gut aus.«
Laura lächelte mir zu. Sah ich da etwas Komplizenhaftes? Ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen – dabei gab es dafür in dem Moment nicht den geringsten Anlass – und setzte mich wieder neben Iris auf die Küchenbank. Laura zwängte sich von der anderen Seite an den Frühstückstisch. Elaine zog sich einen Stuhl heran. »Also«, sagte sie. »Erzähl.«
»Mm … wie fange ich am besten an …« Laura klaubte sich einen Krümel aus der Babka, die auf dem Tisch stand. »Ichwar in Kalifornien, wie ihr vermutlich wisst. Hab bei meiner Tante Enid gelernt, wie man Käse macht, das ist wirklich nur was für echt Engagierte oder echt Verrückte. Wir hatten eine Herde von zweiundfünfzig schlappohrigen Nubiern und siebzig weißgefleckten Alpinziegen auf vierzig Hektar Weideland im Sonoma County. Wir hatten zwei Lagerhallen mit je tausend Quadratmetern, darin vierundsechzig Edelstahl-Tanks mit je zweieinviertel Hektoliter Fassungsvermögen, Melkmaschinen, Pferche, alles. Enid und ich mussten das Melken überwachen, die Reifung des Käses, die Höhlen, das Verpacken. Ich sollte beim Vertrieb helfen. Beim Vermarkten. Gott sei Dank konnte ich Spanisch. Enid ist wirklich eine Irre.«
»Das ist nicht nett«, sagte Iris.
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