Die Freundin meines Sohnes
Patienten vergisst man nicht, warum auch immer, und ich hatte eben Roseanne Craig und ihre Depression nicht vergessen, und nun schien es ihr (allerdings ohne mein Zutun, das musste ich mir eingestehen) sehr viel besser zu gehen.
»Wir sind auf der Suche nach einem SUV oder einem Jeep. Das ist meine Frau Elaine«, sagte ich. »Der Wagen ist für sie.«
»Sehr gut«, sagte Roseanne und gab auch meiner Frau die Hand. »Sagen Sie mir doch am besten, was genau Sie sich vorstellen, dann kann ich Ihnen zeigen, was wir dahaben.«
Roseanne erwies sich als eine Verkäuferin, die jeden mit Autos handelnden Vater stolz machen würde; sie war schnell, sachkundig, sehr genau und schwafelte nicht. Die Craigs würden uns schon deshalb einen anständigen Preis machen, weil ich sie ärztlich betreute, andererseits würden wir aber auch ein bisschen mehr für Extras ausgeben, die wir eigentlich nicht brauchten, weil Roseanne den Kauf mit uns abwickelte. Sie ließ uns in einen Jeep Commander einsteigen und drehte mit uns eine Runde durch die Seitenstraßen an der Route 17, nicht weit von der Überführung über die Forrest Avenue, die offenbar nie fertig wurde.
»Das Schöne an dem Wagen ist, dass er wesentlich ruhiger läuft und besser beschleunigt als manche Konkurrenzmodelle. Das Raumangebot ist so groß wie bei einem SUV, in Punkto Verbrauch ist er aber mit einem Mittelklassewagen vergleichbar.«
»Nämlich?«
»Achtzehn in der Stadt, zwanzig auf dem Highway«, sagte Roseanne. Sie saß hinter uns in der Mitte der Rückbank und beugte sich nach vorn, damit wir uns besser unterhalten konnten. Das Modell, mit dem wir unterwegs waren, hatte GPS, Elaine probierte es ständig, obwohl sie genau wusste, wo wir uns befanden.
»Bieten Sie den auch als Hybrid an?«
»Noch nicht«, sagte sie, »aber GM arbeitet an phantastischen Hybridfahrzeugen, die 2010 herauskommen sollen. Wenn Sie diesen Wagen dann in Zahlung geben wollen, werden Sie aus einer Vielfalt großer Hybridfahrzeuge und Elektroautos wählen können.«
»Naja«, sagte Elaine. »Niemand wird ein Auto in eine Steckdose stecken wollen.«
»Sie wären überrascht, Mrs. Dizinoff«, sagte Roseanne. »Für über hundert Meilen mit einer Gallone überdenkt so mancher seine Einstellung.«
»Hundert Meilen mit einer Gallone?«
»Das ist erst der Anfang«, sagte Roseanne. Ihre Stimme klang fröhlich, aber sie ließ die Hände in den Gelenken kreisen, und ich meinte, ich hätte sie zusammenzucken sehen. »An der Tankstelle links – das ist eine Abkürzung zum Büro.«
»Alles in Ordnung, Roseanne?«
»In Ordnung?« Sie blinzelte und hielt die Hände ruhig. »Mir geht’s prima!« Ich wunderte mich über ihr breites Lächeln. Ob sie etwas verbarg? »Wirklich, mir geht’s richtig gut.«
Als wir wieder im Autohaus ankamen, tauchte Arnie Craig aus einem Büroraum auf und schüttelte uns beiden mit zwei Händen kräftig die Hand. »Und, was halten Sie von meiner Kleinen?«, fragte er. »Eine verdammt gute Verkäuferin, was?« Craig war kräftig, ein paar Zentimeter kleiner als ich, aber mit breiten Schultern und stämmigen Beinen, und obwohl er einen leichten Bauchansatz hatte, merkte man seiner Haltung noch etwas von dem Football-Spieler an, der er an der Highschool bestimmt gewesen war.
»Allerdings, verdammt gut.«
»Ja, wirklich«, stimmte auch Elaine zu. Dann schlenderte sie davon, ging noch einmal durch den Verkaufsraum und überließ die Einzelheiten uns.
»Sie interessieren sich für einen Commander, Dad.«
»Gute Entscheidung.« Craig legte den Arm um seine Tochter. »Möchten Sie einen Wagen in Zahlung geben? Möchten Sie finanzieren?«
»Der Saab meiner Frau musste gerade abgeschleppt werden.«
Arnie warf mir einen wissenden Blick zu, und Roseanne lächelte. »Wir haben ausgezeichnete Konditionen für eine Finanzierung«, sagte sie. »Vielleicht möchten Sie sich aber auch selbst darum kümmern. Ich weiß, dass die Ärztevereinigung auch so etwas anbietet.«
Sie hatte mit genügend Ärzten zu tun und ihre Hausaufgaben gemacht, ein Punkt mehr für sie.
»Ich kümmer mich mal um den Laden«, sagte Arnie und tätschelte seiner Tochter die Schulter, bevor er sie losließ. »Sie sind hier in guten Händen.«
Roseanne sah mich lächelnd an und verdrehte die Augen, wir gingen zu ihrem Schreibtisch, auf dem als bescheidener Schmuck ein Familienfoto und ein kleines, in leuchtenden Farben gemaltes Porträt Franz von Assisis standen, dahinter hing ihr Diplom aus Berkeley.
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