Die Freundin meines Sohnes
Roseanne war mit Sicherheit die einzige Verkäuferin des Hauses mit kalifornischem Universitätsdiplom, schien sich aber in dieser Umgebung ganz zu Hause zu fühlen. Wahrscheinlich war sie sogar in dem Gebäude aufgewachsen.
»Kann ich Ihnen eigentlich etwas anbieten? Wir haben ziemlich guten Kaffee, und ich wollte gerade die Dame am Empfang bitten, ein paar Bagels zu bestellen.«
»Vielen Dank«, sagte ich. »Elaine und ich waren gerade in der Old Tavern frühstücken.«
»Gute Omelettes«, sagte Roseanne. Gute Verkäufer loben jede Wahl, solange sie das Produkt nicht selber anbieten.
»Hören Sie, Roseanne, wir nehmen den Wagen.«
»Wollen Sie sich nicht erst mit Ihrer Frau besprechen?«
Ich schüttelte lässig den Kopf, aber Roseanne zog eine Augenbraue hoch, und so fügte ich mich. »Einverstanden, ich glaub schon. Ich möchte Ihnen noch, ganz allgemein gesprochen,sagen, wie toll Sie aussehen. Geht es Ihnen gut? Alles in Ordnung?« Es war vielleicht nicht angebracht, mich in diesem Augenblick nach ihrer gesundheitlichen Verfassung zu erkundigen, aber egal, wir kauften schließlich das Auto, und ich wollte es wissen. »Tun Ihnen die Handgelenke weh?«
»Die Handgelenke?«
»Sie lassen ständig die Hände kreisen.«
»Ich hab Tennis gespielt«, sagte sie. »Die Rückhand trainiert.«
»Oh, gut – Tennis ist gut. Und wie ist es mit dem Schlafen? Dem Essen?« Ich wollte fragen, ob sie Owen Kennedy oder jemanden aus seiner Praxis aufgesucht hatte, ließ es aber doch sein, das war nicht der richtige Ort.
»Kräftemäßig, wie sieht’s da aus?«
»Genau wie immer.«
»Sonst irgendwelche Veränderungen? Oder irgendetwas?«
»Eigentlich nicht.«
»Eigentlich?«
»Ich meine, nein. Ich fühl mich nicht wesentlich anders als vorher. Vielleicht manchmal etwas müde, aber das kommt nur davon, dass ich so viel arbeite.«
»Okay«, sagte ich. Mir war klar, dass ich die Unterhaltung in unangenehme Fahrwasser gelenkt hatte. Wir lächelten uns kurz an. »Tja, ich glaub, Sie haben uns soeben ein Auto verkauft. Ihr Dad hat recht – Sie sind eine verdammt gute Verkäuferin.«
»Das liegt mir im Blut.« Sie ließ ihre Hände schon wieder kreisen. Tennis, hatte sie gesagt, schön, Tennis. Plötzlich änderte sich das durchs Fenster einfallende Licht, und ich sah die dunklen Schatten unter Roseannes Augen. Das Mädchen brauchte zumindest mehr Schlaf.
»Soll ich mit dem Papierkram anfangen?«
»Unbedingt«, sagte ich. »Und anschließend sollten Sie nach Hause gehen und ein Nickerchen machen.«
Nachdem wir den beglaubigten Scheck abgeholt und den Kaufvertrag unterschrieben hatten, überreichte Roseanne Elaine den Schlüssel, der an einer silbern glänzenden Kette mit dem Logo von Craig Motors hing. Wir fuhren heim, voll des Lobes für die Familie Craig, das billige Benzin, den guten Kredit, den schwachen Verkehr, für New Jersey und seine unschätzbaren Gaben. Und danach dachte ich lange nicht an Roseanne Craig, sondern war einzig mit meinem Sohn beschäftigt, damit, welche Richtung sein Leben nahm. Ab und zu freilich dachte ich, wenn ich auf der Route 17 unterwegs war, ich sollte mal im Autohaus Craig vorbeifahren und hallo sagen, vielleicht sogar zusammen mit Roseanne eine Probefahrt mit einem neuen Lincoln machen. Mich vergewissern, dass sie gesund war – einen Hausbesuch machen sozusagen. Aber ich tat es nicht, und als die Überführung über die Forrest Avenue schließlich fertig war, kam ich an diesem Abschnitt der Route 17 kaum noch vorbei.
Wir waren mit dem Commander noch keine vierundzwanzig Stunden zu Hause, da stand Alec in der Einfahrt, beschnupperte den neuen Wagen seiner Mutter und linste in den Kofferraum, als hoffe er, dort Schätze zu finden. Er hob das im Kofferraum gespannte Netz, mit dem Einkäufe und Gepäck festgehalten werden sollten, zog es hin und her, ließ es hörbar einschnappen. Ließ krachend die Kofferraumklappe zufallen und prüfte die Federung des Wagens mit beiden Händen.
»Darf ich fragen …«
»Oh«, sagte er und fuhr mit verlegener Miene herum. Er hatte ein schmutziges T-Shirt und eine löchrige Jeans an und war in eine ungesunde Wolke aus Farbverdünner gehüllt.»Ich wollte nur mal schauen, wie viel sich in so einen Jeep einladen lässt.«
»Einladen, was genau?«
Er atmete durch die Nase aus. »Ich hab ein paar Bilder, die ich in eine Galerie in Harlem bringen wollte, die, wo die Besitzer …«
»Das hast du mir schon erzählt.«
»Genau, ja, die Besitzer, also,
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