Die Freundin meines Sohnes
Weg, sondern aus einer seltsamen Angst, was ich sagen könnte, wenn ich den Mund aufmachte. Und er ging mir aus dem Weg, weil das einfacher war.
Gegen Mitternacht, als Alec nach Qualm stinkend heimkam, saß ich am Küchentisch und tat, als läse ich. Die Broschüren hatte ich dort gelassen, wo ich sie vorgefunden hatte.
»Hey, Dad.«
»Hey, Al«, sagte ich und blätterte so beiläufig, wie ich konnte, die Seiten meines Cleveland Clinic Journal um. »Spaß gehabt heute Abend?«
»Hmm«, sagte er, schlich leise an den Kühlschrank und gluckerte das Wasser gleich aus der Zweiliterflasche.
»Was hast du gemacht?«
»Hmm?« Er wischte sich den nassen Mund mit dem Ärmel ab und stellte die Flasche zurück. »Eigentlich nichts. Ich bin mit Laura unterwegs gewesen.«
»So.« Ich musste schlucken. »Ihr zwei seid also …«
»Wir sind nichts, Dad.« Er lachte. »Ich meine, ich weiß nicht, was wir sind.«
Ich musste heucheln. »Aber du magst sie schon.«
»Klar.« Er setzte sich zu mir an den Tisch. Den Ring in seiner Augenbraue hatte er längst entfernt, aber die hässlichen Ohrstecker trug er immer noch, er hatte sich angewöhnt, daran zu spielen, wenn er mit den Händen nicht wusste, wohin.
»Und was ist damit?«, fragte ich und wies auf die Broschüren. Ich hatte gehofft, er würde selbst davon anfangen, aber ich konnte nicht die ganze Nacht warten. »Die lagen hier auf dem Küchentisch, als ich heimkam.«
»Oh, die sind da? Ich hab mir die Webseiten angesehen, und dann haben sie mich nach meiner Adresse gefragt, um mir Broschüren zu schicken. Keine Ahnung, warum die so einen Aufwand treiben und warum die Bäume fällen müssen. Was ich wissen will, ist alles online.«
»Verstehe«, sagte ich.
»Da gehen diese Pop-ups auf und schon fragen die nach deiner Adresse, da hast du noch gar keinen klaren Gedanken gefasst …«
»Und du hast dir die Seiten angesehen, weil …«
»Ich mich über die Programme für Studienwechsler informieren wollte«, sagte er. Er nestelte immer noch an seinen Ohren.
»Programme für Studienwechsler?« Ich legte meine Zeitschrift zur Seite und sah meinen Sohn voll an. »Hast du wirklich vor, ans College zurückzugehen?« Ich gab mir Mühe, beiläufig zu klingen, hatte mich aber wohl verraten, denn Alec lächelte nachsichtig.
»Ehrlich gesagt war es Lauras Idee. Sie findet, ich brauche mehr Unterricht, damit ich meine Malerei wirklich dahin bringen kann, wo sie sein sollte. Und dass es für meine Kontakte wichtig sein könnte, wenn ich weiterstudiere. In der Kunstwelt hängt so vieles davon ab, wen man kennt, und siemeint, mit guten Empfehlungen schafft man es leichter, große Galerien auf sich aufmerksam zu machen.«
»Das hat Laura gesagt?«
»Siehst du, Dad?«, sagte Alec. »Sie ist nicht nur schlecht.«
»Wer hat nur schlecht gesagt?«
Er lachte, stand auf. »Die Bewerbungen müssen jedenfalls in ein paar Wochen fertig sein, aber ich weiß es noch nicht. Ich kann nichts versprechen. Ich denke darüber nach. Das sind wahrscheinlich die drei besten Studiengänge in New York – in die ich jedenfalls reinkommen kann.«
»Schau«, sagte ich. »Wenn du etwas brauchst, Geld für die Bewerbungen, was immer, du brauchst nur etwas zu sagen.«
»Mach ich.«
»Und falls es noch andere Unis gibt, was immer du meinst, vielleicht könnten wir nach Boston fahren …« Warum war ich so versessen auf Boston?
»Nein, egal wie, ich glaub, ich bleibe in New York. Da ist der Kunstmarkt. Und Laura zieht Ende nächsten Monat sowieso ins East Village.«
»Ach ja?«
»Ja«, sagte er. »Die dreht noch bei durch ihren Eltern.«
»Verstehe.« Na ja, New York war groß.
»Also dann, gute Nacht.« Er ging nach oben.
»Gute Nacht«, sagte ich zu seinem sich entfernenden Rücken. Ich blieb noch eine volle Stunde auf, las die dünnen Broschüren und machte mich mit dem Gedanken vertraut, dass Lauras Einfluss auf meinen Sohn nicht nur nicht so schlecht war, wie ich angenommen hatte, sondern vielleicht sogar besser als mein eigener.
New York University, die School of Visual Arts und die New School. Ich hatte einen Patienten, der bei der New School im Vorstand saß. Den wollte ich am Montag als Allererstes anrufen.»Der Saab«, sagte Elaine einige Tage danach frühmorgens, ich hatte die Augen noch nicht mal richtig aufgemacht, »der hat endgültig den Geist aufgegeben.«
Es gibt Dutzende Gespräche, die man nicht führen will, wenn man noch im Schlafanzug ist und fröhlich von einer Fahrt durch
Weitere Kostenlose Bücher