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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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gängige Praxis. Doch bei mir konnten sie zudem noch ein ganz besonderes Geschäft abschließen. Ich nannte es die ,Notabsicherung‘. Es war eigentlich ganz simpel: Ich versprach den Seeleuten, ihren Familien im Fall ihres Todes eine zuvor ausgehandelte Summe auszuzahlen und sie für die Dauer von einem Jahr mit einem monatlichen Betrag zu unterstützen. Natürlich gegen entsprechende Bezahlung. DieAngst vor dem eigenen Tod steckt in allen Männern, die zur See fahren. Was viele dazu trieb, es mit meinem Angebot zu versuchen. Die ,Notabsicherung‘ war und ist ein großer Erfolg. Und ich bin immer ehrlich gewesen. Es gibt so manche Familie, die ohne mich vielleicht vor die Hunde gegangen wäre. Denn viele Männer bleiben auf See – wie ihr wisst. Tja, und so habe ich noch manch andere frische Idee umgesetzt. Es macht mir bis heute ungeheuer viel Spaß, mit dem Geld anderer zu arbeiten, und ich möchte weiß Gott kein anderes Leben haben.“ Tjalda breitete die Arme aus, als wolle sie die beiden Freundinnen umfangen. „Ach, es hat so gutgetan, mir einmal die ganze Last der Vergangenheit von der Seele reden zu können. Das schafft Luft hier drinnen.“ Tjalda klopfte sich mit beiden Händen auf die Brust. Dann warf sie einen Blick aus dem Fenster. „Mein Gott, es ist ja bereits stockfinster da draußen. Nun habt ihr den ganzen schönen Abend damit vertan, meinen wenig ruhmreichen Taten zu lauschen.“
    „Es war mir eine Freude, dir zu lauschen.“ Inken griff wieder nach Tjaldas Hand und drückte sie.
    „Und dieser faszinierten Frau nicht weniger.“ Sumi erhob sich geschmeidig, verbeugte sich leicht vor Tjalda und trug das Teegeschirr hinaus.
    Auch als sie schon längst in ihrem Bett lag, kreisten Inkens Gedanken noch immer um Tjaldas Geschichte. Das Leben war nicht immer freundlich mit der Freundin umgegangen, und die Erfahrungen hatten sie gelehrt, den Männern nicht zu trauen. Und dennoch hatte ihr alles Leid nichts anhaben können. Sie war innerlich nicht erfroren, obwohl sie sich immer wieder eisigen Winden hatte stellen müssen. Und Inken erkannte am Schicksal ihrer Freundin, dass nur derjenige, der nicht aufgibt, gewinnen konnte.
    Denn Tjalda hatte gewonnen! Sie hatte sich ihren Platz im Leben erkämpft. Und dies zu wissen machte Inken Mut. Sie musste sich nicht mehr so schwach und der Zukunft ausgeliefert vorkommen. Dem war nicht so. Wer den Mut aufbrachte und sein Ziel mit aller Kraft verfolgte, der konnte seines Glückes Schmied sein. Getröstet schloss sie die Augen und schlief ruhig ein.

8. Schicksalspfade
    Vor der Festung Delfzijl, Oktober 1813
    Mein Auftrag ist es, Ostfriesland von feindlichen Truppen zu reinigen .. .
    … bezüglich der in der Nähe befindlichen, vom Feind besetzten holländischen Festung etwas zu unternehmen .. .
    … die französische Verwaltung in der Provinz aufzulösen .. .
    … und eine Landwehr zu errichten .
    (Karl Friedrich Friccius, Kommandeur des 1. ostpreußischen Landwehr-Bataillons)
Der Ausfall
    Es war später Nachmittag, und das Gewitter erreichte seinen Höhepunkt. Und als geradezu wahre Sturzbäche vom Himmel herabkamen, hörten die französischen Soldaten endlich auf, die Uferböschung nach feindlichen Truppen abzusuchen.
    Cirk zitterte vor Kälte und tat sein Möglichstes, um wach zu bleiben. Neben ihm lag Thomas, dem es sehr schlecht ging. Cirk biss sich auf die Unterlippe. Er konnte rein gar nichts für seinen Freund tun! Außer zu hoffen, dass ihn bald wieder eine gnädige Ohnmacht für kurze Zeit von seinen Schmerzen erlösen würde. Am Leben waren sie sowieso nur noch dankseiner Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen. Cirk wusste nur zu gut, wie man Jägern aus dem Weg ging, und das nicht erst seit seiner Schmugglerzeit.
    Prüfend glitt sein Blick über den mit Blättern bedeckten Körper seines Freundes. Sie waren den im Rückzug befindlichen Franzosen nur entkommen, indem sie sich tief im Schilf verborgen hatten.
    Und sie waren allein durch den verdammten Blitzangriff der Franzosen in diese missliche Lage geraten, nachdem sich diese – gleich am Morgen und vielleicht an die zweihundert Mann stark – zusammengerottet und die Festung verlassen hatten. Cirk und Thomas bildeten einen Teil des Vorpostens in Farmsum und waren von den kampflustigen Franzosen völlig überrascht worden. Bei dem zahlenmäßig ungleichen Gefecht, das ihrem Aufeinandertreffen gefolgt war, hatte eine Kugel Thomas’ Bein erwischt. Wie tot war er zu Boden gesunken und dort liegen

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