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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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geblieben. Cirk hatte sich versteckt und gewartet, bis die angreifenden Franzosen an ihm vorbeigezogen waren, dann war er zu seinem Freund geeilt. Fast wäre es ihm nicht gelungen, den unter unsäglichen Schmerzen leidenden Thomas tief ins Uferschilf zu schleifen. Halb im Wasser liegend hatten sie sich verborgen, um den suchenden Augen der Franzosen zu entgehen. Nach dem Abzug des Feindes war es ihm dann unter Aufbietung aller Kräfte gelungen, mit dem Verletzten wieder an Land zu kommen. Die Decke aus Blättern, die er danach über dem zähneklappernden Freund ausgebreitet hatte, bot zwar Schutz gegen ungewollte Entdeckung, spendete aber kaum Wärme.
    Cirk machte sich Sorgen um Thomas, dessen Wunde nicht zu bluten aufhören wollte. Selbst das Liegen im kalten Wasser hatte den Blutfluss nur für kurze Zeit gestoppt. Thomas brauchte Hilfe, und zwar schnell. Die Franzosen würden vonder Verstärkung in Borgsweer und Otterdum zurückgedrängt werden, dessen war er sich sicher. Danach würden sie unstrittig wieder diesen Weg bis zur Ortschaft Farmsum zurück nehmen. Thomas und ihm blieb daher nichts anderes übrig, als so lange im Schilf auszuharren, bis sie nicht mehr französische, sondern nur noch ostfriesische oder englische Laute hören würden.
    Das Wetter verschlechterte sich. Dicke schwarze Wolken hingen düster über ihnen, Blitze zuckten, durchbrachen aber nur für einen kurzen Augenblick das Grau des Himmels.
    Thomas bewegte sich stöhnend. Cirk versuchte ihn in eine bequemere Lage zu bringen, unterließ es jedoch, als der Verletzte dabei vor Schmerz zu schreien begann und sich Ströme von Blut aus der Wunde ergossen. Erneut verlor sein Freund das Bewusstsein, und Cirk seufzte erleichtert auf. Alles war besser, als Thomas derart leiden zu sehen.
    Er rollte sich zusammen. Ihm war schrecklich kalt. Er musste sich warme Gedanken machen. Cirk verlor sich in Träumen von der Karibik, in die ihn seine letzte große Fahrt geführt hatte. Die warme tiefblaue See, deren Farbe je nach Licht der Sonne wechselte. So anders als die grauen Fluten der Nordsee, die er liebte. Und dann dachte er an Inken, die ihm mehr als die Nordsee und mehr noch als jedes Schiff bedeutete!
    Wann immer er an sie dachte, fühlte er sich lebendig. Dann hörte er das Rauschen der Blätter, fühlte die Wärme der Sonne und den weichen Regen. Seit ihrer ersten Begegnung war es so gewesen, und ihre gemeinsame Zeit auf der Insel hatte alle seine Träume und Hoffnungen nur noch einmal bestätigt.
    Früher hatte seine Liebe den Herausforderungen, den Stürmen des Lebens gegolten. Er hatte Stürme immer gemocht,sogar auf dem Meer. Sie stellten seine Geschicklichkeit auf die Probe. Natürlich hatte er sie auch gefürchtet – ansonsten wäre er ein ausgemachter Narr gewesen. Doch selbst die Erinnerung an die schönsten Tage auf See, wenn er den Kampf mit den Naturgewalten aufgenommen und ein wild sich aufbäumendes Schiff durch das tosende Wasser geführt hatte, reichte nicht an das Glücksgefühl heran, das Inken in ihm auslöste.
    „Ich werde nie mehr von ihr loskommen“, ging es Cirk durch den Sinn, und er erschauderte, „aber ich will es auch gar nicht.“
    Und dann dachte er an Lucia, dieses unglückselige Mädchen, das schon so viel Unheil angerichtet hatte. Thomas hatte seine Schwester unverzüglich mit dem nächsten Schiff wieder zurück nach England geschickt. Lucia war kaum zu halten gewesen. Mit Händen und Füßen hatte sie sich gegen den Bruder gewehrt. Doch schließlich hatte Thomas sich durchgesetzt.
    Noch einmal durchlebte Cirk ihren empörenden Auftritt in Tjaldas Haus, der ihn umso mehr verzweifeln ließ, je öfter er über ihn nachdachte, denn er wusste nicht, wie Inken die Situation gedeutet hatte. Er hatte zwar versucht, ihr alles zu erklären. Aber irgendwie waren seine Worte nicht die richtigen gewesen, das wusste er. Sie hatten alles nur noch schlimmer gemacht.
    Cirk fühlte einen tiefen Schmerz in sich aufsteigen. Es musste ihm einfach gelingen, Inkens möglicherweise falsche Vorstellungen zu zerstreuen. Hoffentlich hatte Tjalda seinen Brief, den alles erklärenden Brief, erhalten. Der Kurierdienst in und aus dem Lager funktionierte nicht besonders gut. Denn mancher Bote überbrachte seine Nachricht nicht dem Empfänger, sondern betrachtete seine Aufgabe als willkommeneMöglichkeit, um nach Hause zu Frau, Kind und Hof zu flüchten. Er konnte also nur hoffen.
    „Wenn ich heil aus dieser verdammten Situation herauskomme“,

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