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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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genannten starken Geschlecht schwach werden, das habe ich mir damals geschworen.“
    „Und diese standhafte Frau hat ihr Versprechen wohl auch gehalten.“ Sumis Mundwinkel zuckte.
    „Richtig.“ Tjalda nickte. „Und die Hosen haben dazu beigetragen,die Herren abzuschrecken, außerdem ging mir später noch auf, dass Hosen und kurzes Haar außerordentlich praktisch sind. Und heute würde ich um nichts auf der Welt mehr darauf verzichten. Weder auf das eine noch auf das andere. Damals kam ich mir anfangs allerdings noch recht lächerlich vor. Wie ich es nur wagen könne, rief man mir auf der Straße nach, und einmal hat mich sogar eine ältere Frau direkt darauf angesprochen. Sie fragte, was denn um Gottes willen in mich gefahren sei. Wozu ich Hosen bräuchte, wenn da nichts wäre, wozu ein Hosenstall nötig sei. Aber die Emder haben sich schließlich an mein Aussehen gewöhnt.“
    „Die Emder.“ Inken blickte ihre Freundin erstaunt an. „So hat also der Zufall, in Gestalt deiner Reisebegleiterin, dafür gesorgt, dass du nach Emden gekommen bist.“
    „Zufall oder Schicksal?“ Tjalda zog die Schultern hoch. „Auf jeden Fall stand ich mittellos in Hosen und mit kurzem Haar in dieser wildfremden Stadt. Und wer weiß, wie es mir ergangen wäre, wenn meine Reisebegleiterin mir keine Arbeit besorgt hätte. Schon drei Tage nach meiner Ankunft fing ich als Köchin und Mädchen für alles bei einem Emder Geschäftsmann an, der das Handwerk eines Geldverleihers ausübte.“
    „Ah.“ Inken hob einen Zeigefinger. „Da kommen wir der Sache schon näher.“
    „Nicht wahr.“ Tjalda nickte. „Arthur Groote, so hieß mein Arbeitgeber, war ein sehr wohlhabender Mann. Sein Haus war gediegen eingerichtet, obwohl er auf Äußerlichkeiten keinen großen Wert legte. Da war er schon eher auf eine gute Mahlzeit erpicht. Und nachdem die Jahre an der Seite meiner Großmutter nicht spurlos an mir vorbeigegangen waren, konnte ich ihn diesbezüglich leicht zufrieden stellen. Arthur besaß weder Familie noch Freunde. Ich habe nie herausge- funden, warum das so war, denn ich habe meinen Arbeitgeberimmer als liebenswert empfunden, obwohl er sich scheinbar nur wenig um mich bekümmerte. Vielleicht war es das, was andere abschreckte. Dieses vermeintliche oder auch tatsächliche Desinteresse, das er an seinen Mitmenschen hatte.“
    Tjalda lächelte milde in sich hinein. „Wie habe ich die Jahre bei ihm genossen. Arthur störte sich nicht an meiner Art oder meinem Äußeren. Ich glaubte manchmal sogar, er würde mich gar nicht richtig wahrnehmen. Aber bei ihm fand ich eine Geborgenheit und eine Form von Zuneigung, die keinerlei Ansprüche an mich stellte. Dieses Für-mich-sein- Können war Balsam für meine Seele, hätte ich es damals doch nicht ertragen, über die Dinge, die ich erlebt hatte, sprechen zu müssen. Mir waren die Distanz und das Desinteresse an meiner Person gerade recht. Doch so zerstreut Arthur manchmal auch wirkte, wenn es um seine Arbeit ging, war er stets hellwach, und das zahlte sich aus. Arthur hatte das richtige Gespür dafür, wann man kaufen musste und wann es am günstigsten war, wieder zu verkaufen. Ein geringer Teil seines Geschäfts bestand in Beteiligungen an Fischkuttern oder kleineren Läden. Die größeren Einnahmen kamen jedoch von den Zinsen auf die Darlehen, die er gewährte. Und da Arthur die Leute nicht ausnahm, mangelte es ihm auch nicht an Kundschaft. Er konnte es sich sogar erlauben, Leute, die ihm nicht gefielen, wieder fortzuschicken, was nicht einmal selten geschah.
    Irgendwann, eher durch Zufall, stellte mein Arbeitgeber fest, wie gut ich schreiben und mit Zahlen umgehen konnte. Ein Umstand, den er dann zu unser beider Zufriedenheit weidlich ausgenutzt hat. Nach und nach brachte er mir alles bei, was man wissen musste, um das Geldgeschäft zu beherrschen. Und als Arthurs Kraft im Laufe der Jahre abnahm,konnte er einen guten Teil der Arbeitslast auf meine Schultern legen. Ich hing viel lieber mit dem Kopf über den Büchern als über dem Kochtopf. Und das sagte ich ihm auch. Bald waren mir die Zahlen und Namen der Kunden besser bekannt als ihm. Ich wusste genau, wer eine gute Zahlungsmoral besaß und wem wir auf die Füße treten mussten. Natürlich durften die Kunden nichts von alledem wissen. Das wäre geschäftsschädigend gewesen. Doch eines Tages wurde Arthur schwer krank. Er hatte Schmerzen in der Brust, die ihn nicht mehr verließen und immer schlimmer wurden, und so musste ich mehr und

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