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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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Deckmantel des Schweigens breiten können. Die nun sichtbare Schwangerschaft ließ dies allerdings nicht mehr zu. Dass seine ledige Tochter ein Kind erwartete, war schlechtweg unverzeihlich! Sie widersprach allem, was ihm heilig war. Sein eigenes Kind widersetzte sich dem, was er jahrelang gepredigt hatte. Und so entschied er sich für die Tugend und gegen sein Kind. Mit den Worten: ,Eine Hure kann ich in meinem Haus nicht dulden‘, setzte er Anna auf die Straße. Und auch ihre Mutter wandte sich, wenn auch unter Tränen, von ihr ab.
    In ihrer Not beschloss Anna, das in ihren Augen einzig Richtige zu tun. Sie wollte den Mann suchen, der sie geschwängert hatte. Er würde ihr helfen, dessen war sie sich sicher, denn Anna fand immer noch tausend Gründe, um sein Fernbleiben zu entschuldigen. Sie glaubte felsenfest daran, mit offenen Armen von ihm empfangen zu werden. So packte sie ihr Bündel und verließ das Dorf. Durch den Verkauf weniger geerbter Schmuckstücke konnte sie die Reise nach Hamburg finanzieren, wo der Handwerksbursche zu Hause war, wie sie wusste. Und sie kannte seinen Namen, sonst nichts. Anna brauchte lange Zeit, um in die Stadt zu gelangen und noch länger, um das Haus des Mannes zu finden, der sie geschwängert hatte. Als Anna das Tor schließlich erreichte,brach sie dort zusammen. Die Geburt des Kindes stand unmittelbar bevor.“
    Inken fuhr aus ihrem Sessel hoch. „Cirk wurde also im Haus seines Vaters geboren“, unterbrach sie Tjalda mit gerunzelter Stirn.
    „Ja, gewissermaßen. Cirk wurde an einem Feiertag geboren. Die Familie seines Vaters war an diesem Tag in der Kirche, und die Dienstboten erbarmten sich der jungen unbekannten Schwangeren. Cirks Vater muss der Schreck wohl in alle Glieder gefahren sein, als er sah, wer dort im Dienstbotengebäude untergebracht war. Als Anna wieder zu Bewusstsein kam, erbot sich einer der Dienstboten, sie ins Armenhaus zu bringen, doch Cirks Vater ließ es nicht zu. Vielleicht plagte ihn doch das schlechte Gewissen. Schließlich war es sein Kind, das zur Welt kommen sollte. Er beschwor Anna zu schweigen. Tausend Entschuldigungen brachte er vor, und sie glaubte ihm. Seiner Familie erzählte Cirks Vater, die Fremde sei eine gute Bekannte, der er aus seiner Wanderzeit etwas schuldig sei. Deshalb habe sie auch an sein Tor geklopft. Tja, und so gebar Anna ihren Sohn im Hause seines Vaters. Dessen Schwiegermutter fungierte sogar als Hebamme, wie sie es schon oft bei schwangeren Dienstboten getan hatte. Und das war das eigentliche Unglück. Man könnte aber auch sagen, es war Gerechtigkeit, dass dadurch zu Tage trat, was verborgen bleiben sollte. Aber davon erzähle ich gleich mehr.“
    Tjalda schwieg einen Augenblick. Dann nahm sie einen Apfel aus der Obstschale und rieb ihn mit einem Tuch sauber. Erst nachdem sie den Apfel geteilt und gegessen hatten, fuhr sie mit der Geschichte fort.
    „Stell dir vor, was Anna in dieser Zeit durchgemacht haben muss!“ Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Da reist dieses junge Mädchen Tage und Wochendurch fremde Dörfer und Städte. Verlassen von ihrer Familie, ganz allein, mit einem Kind unter dem Herzen. Immer in der Hoffnung, den Mann zu finden, der diesen Albtraum beendet. Sie findet ihn auch, allerdings verheiratet mit einer anderen Frau. Und just in dem Moment, wo ihr so richtig bewusst wird, was das bedeutet, drängt ihr Sohn mit Macht auf die Welt. Wie verzweifelt muss Anna gewesen sein! Wie schrecklich und erschütternd ist es, in solch einer Lage auch noch der Gnade desjenigen ausgeliefert zu sein, der einen nur benutzt hat. Anna konnte das nicht ertragen. Sie konnte der Realität nicht ins Auge sehen und hat sich deshalb ihr eigenes Bild von Cirks Vater zurechtgemacht. Sie liebte ihn immer noch, diesen Mann, der ihr verboten hatte, die Wahrheit zu sagen, der sie den scheelen Blicken seiner Familie und der Dienstboten auslieferte. Anna sagte zu keiner Menschenseele ein Wort in der Hoffnung, dass der Anblick des gemeinsamen Kindes ihrem Geliebten die Augen öffnen würde. Sein erstes Kind! Blut von seinem Blut! Dem würde er sich nicht entziehen können! Außerdem redete sie sich ein, dass seine Ehe nicht glücklich sein könnte. Vielleicht wäre für Anna, mit dieser Vorstellung im Kopf, sogar ein Leben als Geliebte in seinem Haus möglich gewesen. Es gab viele Dienstboten, und sie hätte eine von ihnen sein können. Du hörst schon, Inken, Anna war und blieb zeit ihres Lebens eine Träumerin. Doch

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