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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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dann geschah etwas, mit dem weder Anna noch Cirks Vater gerechnet hatten. Das Schicksal griff ein! Gott in seinem unergründlichen Ratschluss beschloss, die Wahrheit ans Licht zu bringen, und zwar im Augenblick der Geburt, bei der Cirks Vater natürlich nicht zugegen war, dafür aber seine Schwiegermutter. Sie war auch diejenige, die als Erste in das Gesicht von Annas Sohn sah. Er hatte noch keinenNamen, aber seine Augen und ein besonderes Muttermal auf der Stirn bezeugten eindeutig seine Abstammung. Die Schwiegermutter fiel in Ohnmacht, nachdem sie Cirk gesehen hatte, und als sie erwachte, war sie nur mehr eine wütende Furie. Sie befahl ihrem Schwiegersohn, diesen Bastard und seine Mutter sofort aus dem Haus zu bringen, bevor ihre Tochter etwas mitbekam. Und so wurde Anna innerhalb kürzester Zeit zum zweiten Mal vor die Tür gesetzt. Diesmal zwar mit reichlichen finanziellen Mitteln ausgestattet, aber mit einer Verantwortung auf dem Arm, die zu tragen ihr kaum möglich war. Aber immer noch liebte sie diesen Menschen, der ihr Unglück verursacht hatte. Und immer noch brannte die Sehnsucht nach ihm in ihrem Herzen.“
    Mitternacht war schon vorüber und die Lampen fast heruntergebrannt. Tjalda erhob sich und füllte Petroleum auf. Danach ging sie in die Küche und kehrte nach kurzer Zeit mit zwei Bechern warmer Milch und einer Schale Gebäck zurück. Inken starrte auf das Gebäck, ohne es jedoch richtig wahrzunehmen. „Das grenzt ja schon an Dummheit!“ Ohne dass sie es wollte, schwang ein Hauch von Verachtung in ihren Worten. „Ich verstehe diese Frau einfach nicht. Niemals hätte ich so gehandelt. Einen Fußtritt hätte ich diesem Kerl verpasst, und danach hätte ich hoch erhobenen Hauptes mit meinem Sohn auf den Armen sein Haus verlassen. Ein solcher Verrat muss doch alle ihre Gefühle für ihn getötet haben!“
    Tjalda nahm sich Zeit mit ihrer Antwort. „So einfach ist das nicht. Anna war nicht wie du, Inken. Es gibt Frauen, die ihr Leben lang Schutz brauchen, weil sie zu weich für die raue Wirklichkeit sind. Sie halten die Realität nicht aus.Ich habe viele solcher Frauen gekannt, und mit den meisten hat es kein gutes Ende genommen. Außer natürlich, es fanden sich ein paar starke Arme, die sie hielten.“
    „Starke Arme, pah!“ Inken schnaubte verächtlich. „Da konnte sie bei Cirks Vater wohl lange warten. Was ist das nur für ein Mensch gewesen? Er muss doch etwas gefühlt haben für seine Geliebte, und wenn nicht für sie, so doch wenigstens für seinen Sohn, seinen Erstgeborenen!“
    „So war es auch auf irgendeine Art und Weise. Jedenfalls, wenn man dem Bericht von Cirks Mutter Glauben schenken kann. Sie erhielt monatlich einen gewissen Betrag von ihm, doch niemals suchte er Kontakt zu ihr. Wahrscheinlich lag ihm seine gesellschaftliche Stellung zu sehr am Herzen. Er war ehrgeizig, und deshalb setzte er sich auch nicht über die gesellschaftlichen Normen hinweg. Außerdem führte er wohl, entgegen Annas Meinung, eine glückliche und zufriedene Ehe, aus der im Laufe der Zeit viele Kinder hervorgingen. Anna war nur ein Abenteuer für ihn gewesen. Ich denke, er empfand nicht einmal mehr Leidenschaft für sie, sondern nur noch Mitleid. Seine Schuldgefühle geboten ihm, ihr zu helfen, außerdem war da immer noch die Furcht, Anna könnte ihr Geheimnis verraten und ihn damit diskreditieren.“
    Tjalda nahm einen Schluck Milch, zog die Beine an und kuschelte sich in den Sessel.
    Inken wollte nach einem Stück Gebäck greifen, zog ihre Hand aber wieder zurück. Sie konnte jetzt einfach nichts essen. „Was geschah dann, Tjalda?“
    „Nun, die Furcht von Cirks Vater war unbegründet. Anna vertraute sich niemandem an. Allein ihrem Sohn erzählte sie die ganze Geschichte. Allerdings erst sehr viel später. Anna lebte von dem Geld, das der Vater ihres Sohnesihr zukommen ließ. Sie nahm sich in der Hafengegend eine winzige schäbige Wohnung und kam mit ihrem Kind mehr schlecht als recht über die Runden. Lange versuchte sie eine ehrbare Stellung zu finden, doch niemand wollte eine ledige Frau mit einem Säugling einstellen. Und so geschah es, dass Anna immer öfter in einer der Kneipen am Hafen aushalf. Sie war eine Schönheit, auch wenn ihr das anscheinend nicht bewusst war. Annas unschuldige Augen, die Weichherzigkeit, mit der sie jeden so annahm, wie er war, all dies war selten in der Hafengegend zu finden. Anna lockte die Männer an, und deshalb akzeptierte der Wirt auch ihr Kind, das im Hinterzimmer

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