Die Friesenrose
hättest du angesichts von Lucias Brief mein Verhalten auch anders bewerten sollen? Meine Zeilen an dich sind in ihre Hände gefallen, und sie hat dies zu ihrem Vorteil genutzt. Wie sehr muss dich mein vermeintlicher Vertrauensbruch getroffen haben. Ich verstehe, dass du den Glauben an mich und meine Liebe dadurch verloren hast. Noch dazu, nachdem ich so schnell und spurlos verschwunden bin, und das auch noch im Auftrag von Neehus. Doch es war alles ein Schwindel, ein großer Irrtum.“ Beschwörend blickte er sie an. „Bitte lies diesen Brief, und dann lass uns reden. Wir werden deine Zweifel aus dem Weg räumen, das verspreche ich dir!“
Er wollte ihre Schultern umfassen, aber Inken wandte sichvon ihm ab. „Es ist zu spät, Cirk. Mein Vertrauen in dich, in unsere Liebe, ist zerstört. Daran wird auch dieser Brief nichts ändern. Bitte lass mich gehen!“ Sie versuchte, an ihm vorbeizukommen, doch er griff nach ihrem Arm.
„Nein, bitte, Inken! Du konntest nicht anders handeln und denken. Ich weiß das jetzt. Ein vermeintlicher Verrat, den du nicht verstehen, den niemand dir erklären konnte. Das Schicksal war härter zu dir als zu mir, der ich nichts von alledem ahnte und nur unter der Sehnsucht nach dir zu leiden hatte.“
„Hör auf damit!“, schrie Inken ihn an, deren Fassade der Gleichgültigkeit langsam zerbrach. „Hör endlich auf damit und lass mich gehen. Ich wünschte, wir wären uns nie begegnet“, brach es schließlich aus ihr heraus. „Wie anders wäre mein Leben verlaufen.“ Sie entriss ihm ihren Arm, wandte sich um und starrte in die Fluten.
Aber Cirk fasste sie bei den Schultern und drehte sie wieder zu sich herum. „Wir wären uns begegnet – so oder so. Das Schicksal hätte bestimmt dafür gesorgt, denn wir gehören zueinander. Lass uns einen Neuanfang wagen.“
Inken löste sich von ihm und wandte sich ab. Ihr Gesicht war weiß, und in ihrem Inneren schien kein Leben mehr zu sein. „Es tut mir leid. Ich kann nicht. In wenigen Stunden werde ich fort sein. Es ist das Beste so. Wir …“ Sie zögerte einen Augenblick. „Wir werden vergessen, was zwischen uns war. In Thüringen wartet eine Aufgabe auf mich, und du …“
Cirk unterbrach sie, und der Schmerz, der in seiner Stimme lag, ließ Inken erschaudern. „Geh nicht fort! Tu mir das nicht an. Du kannst vielleicht vergessen, du bist stark und wirst ein neues Leben beginnen. Du kannst alleine zurechtkommen. Aber ich? Wie wird es mir gehen? Inken, ich werde es nicht ertragen dich zu verlieren. Ich bin kein Fels in der Brandung,kein mutiger Held. Ich bin nur ein lebendiger Mann, der sein Leben nicht verlieren will. Dich, Inken. Ich wollte um alles in der Welt zu dir zurückkehren. Bitte bleib bei mir.“
Ungewollt rührten Inken seine Worte. Der Wind hatte gedreht. Jetzt war er derjenige, der schwach und hilflos war und dem Schmerz ausgesetzt, sie zu verlieren.
„Nein. Wir haben unsere Liebe verloren, das musst du begreifen.“ Wellen von unendlicher Trauer spülten über Inken hinweg. „Ich kann nicht mehr zurück. Die Vergangenheit ist tot. Was war, ist vorbei.“
„Hör auf damit.“ Cirks Stimme zitterte. „Ich, in meiner Überheblichkeit, habe dich überfordert in dem Verlangen, mir zu vertrauen aufgrund eines jämmerlichen Briefes, der dich nicht einmal erreicht hat. Das weiß ich aber erst nach diesen Zeilen hier!“ Er wies auf den Bogen, den Inken immer noch in Händen hielt. „Inken, ich möchte um alles in der Welt einen Platz in deinem Leben haben.“ Seine Stimme klang beschwörend. „Ich liebe dich!“
Inken schloss die Augen. Obwohl sie Mitleid mit Cirk hatte, fühlte sie sich leer und ausgebrannt. Sie konnte einfach nicht noch einmal von vorne beginnen. „Cirk, die Welt außerhalb des Liebeszaubers ist nicht freundlich. Sie ist hart. Ich will nicht noch einmal ihre Härte spüren müssen. Es war genug!“ Sie sagte es wie zu einem uneinsichtigen Kind, das nicht wahrhaben wollte, was das Beste für es war.
„Für mich gibt es keine Welt ohne dich.“ Cirk holte tief Atem, und sein Blick suchte den ihren. Inken wich seinen Augen aus. Sie konnte und wollte seinen Schmerz nicht ertragen. Tränen stiegen in ihr auf, und sie wusste nicht warum. Ein Beben ging durch ihren Körper. Nur nicht vor ihm weinen! Nur nicht schwach werden! Sie musste gehen, musste alleine sein, jetzt sofort. Inkens Finger krallten sichum das Stück Papier in ihren Händen, als könne es ihr Kraft geben. Dann wandte sie sich ohne ein
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